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Ziele der Präsdentin

«Dann muss ich Gegensteuer geben»

Schaffhauser Nachrichten, 19.01.2013 von Interview: Zeno Geisseler

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«An der fundamentalen Ausrichtung des Parlaments hat sich nicht viel geändert»: Rosmarie Widmer Gysel. Bilder Selwyn Hoffmann

Zum zweiten Mal steht Finanzdirektorin Rosmarie Widmer Gysel der Kantonsregierung vor. Sie sagt, was sie anders als beim ersten Mal machen wolle, was die drängendsten Probleme im Kanton seien und wie sie mit der Macht umgehe.

Rosmarie Widmer Gysel, Gratulation zur Wahl als Regierungspräsidentin. Haben Sie jetzt eigentlich mehr Macht?

Rosmarie Widmer Gysel: Nein. Wir sind fünf Regierungsräte, und jeder hat eine Stimme. Für mich ändert sich nichts, nur weil ich den Vorsitz habe.

Immerhin sind Sie jetzt die Chefin des Gremiums.

Widmer Gysel: Die Präsidentin kann vielleicht die Abläufe eher strukturieren als ein gewöhnliches Mitglied der Regierung, aber mehr Macht ist das nicht. Es gibt ja auch keine Entscheide, die dem Präsidium vorbehalten sind.

Ganz so machtlos sind Sie aber nicht. Im Gesetz steht zum Beispiel, dass die Präsidentin oder der Präsident in dringlichen Fällen anstelle des Regierungsrates entscheiden darf. Das ist eine sehr weitreichende Bestimmung, oder nicht?

Widmer Gysel: Ja, aber ich kann Ihnen sagen, dass sie in den acht Jahren, seit ich im Amt bin, noch nie angewendet wurde. Das ist für absolute Notfälle gedacht. Mit den heutigen Kommunikationsmitteln sind wir ja alle praktisch rund um die Uhr erreichbar, und dringende Beschlüsse können auch auf dem Zirkulationsweg gefasst werden. Zudem ist die Regierung mit drei Vertretern ja bereits beschlussfähig.

Spielt es in unserem Regierungssystem eigentlich eine Rolle, wer gerade Präsident oder Präsidentin der Exekutive ist?

Widmer Gysel: Eigentlich nicht, und das ist auch ganz gut so. Es geht einfach der Reihe nach, und jeder von uns kommt einmal dran. Es ist auch gut, dass die Amtszeit auf ein Jahr beschränkt ist und man die Verantwortung danach weitergeben kann.

Sie sind zum zweiten Mal nach 2009 Präsidentin der Schaffhauser Kantonsregierung. Was werden Sie dieses Mal anders machen?

Widmer Gysel: Ich habe mir vorgenommen, mich noch disziplinierter auf Anlässe vorzubereiten als beim ersten Mal. Ich möchte vor allem die Agenda längerfristiger betrachten und so sicherstellen, dass ich möglichst frühzeitig mit der Planung zum Beispiel von Auftritten oder Besuchen beginne. So hoffe ich, den Druck ein wenig zu verringern.

Wie gross ist denn die Zusatzbelastung durch das Präsidialamt?

Widmer Gysel: Sie ist nicht übertrieben gross; meine Hauptarbeit als Departementsvorsteherin leidet darunter jedenfalls nicht.

Woraus besteht denn der zusätzliche Aufwand?

Widmer Gysel: Es geht, verkürzt gesagt, einerseits darum, die wöchentlichen Sitzungen des Regierungsrats vorzubereiten und zu leiten, andererseits, den Kanton nach aussen zu vertreten. Wenn es bei uns einen offiziellen Besuch gibt, sei es von einer Regierungsdelegation oder von einem Unternehmen, oder wenn wir selbst eine Delegation entsenden, dann ist die Regierungspräsidentin die Wortführerin. Darauf muss man sich natürlich intensiver vorbereiten, als wenn man als gewöhnliches Mitglied der Delegation auftritt.

Wie sich ein neuer Kantonsratspräsident behauptet, kann das Publikum beobachten: Die Sitzungen des Parlaments sind ja öffentlich. Die Sitzungen der Regierung hingegen finden hinter verschlossenen Türen statt, und damit fällt es auch schwerer, die Amtsführung der Präsidentin zu beurteilen. Wie muss man sich Ihren Auftritt vorstellen? Sind Sie resolut und greifen durch?

Widmer Gysel: Ich versuche vor allem, die Sitzungen strukturiert zu gestalten und die Zeit im Auge zu behalten. Ich möchte zum Beispiel, dass man schon am Anfang der Sitzung bekannt gibt, welche Themen man unter dem Traktandum «Verschiedenes» ansprechen will, damit man ungefähr abschätzen kann, wie viel Zeit man dafür beansprucht. Mir ist es wichtig, dass man in den Regierungssitzungen Raum und Zeit für die Diskussionen hat. Natürlich gibt es Entscheide, die ohne Diskussion geschehen, etwa ein Arbeitsjubiläum. Andere Vorlagen und Anträge aber müssen intensiv diskutiert werden. Es wäre kontraproduktiv, wenn man die Diskussion abklemmen und eine Abstimmung erzwingen würde. Aber natürlich kommt es auch bei uns vor, dass eine Diskussion ein wenig ausufert und vom Thema wegsteuert. Dann muss ich Gegensteuer geben.

In der Vergangenheit gab es mehrere Anlässe, bei denen sich der Kanton und die Regierung präsentieren konnten – etwa beim Sechseläuten, als Schaffhausen Gastkanton war, oder am Marché Concours im Jura oder beim Staatsbesuch des baden-württembergischen Ministerpräsidenten. Sind ähnliche Ereignisse auch in diesem Jahr geplant?

Widmer Gysel: In dieser Grössenordnung bislang nicht. Auch der Gesamtbundesrat war im letzten Jahr bereits bei uns zu Besuch, er wird uns also dieses Jahr wohl nicht schon wieder beehren. Bis jetzt bekannt ist, dass wir eine Delegation an die 500-Jahr-Feier der beiden Appenzell entsenden dürfen; die dreizehn Orte der Alten Eidgenossenschaft, und damit auch der Kanton Schaffhausen, sind an die Feierlichkeiten eingeladen. Das sind natürlich spezielle Momente, auf die ich mich sehr freue.

Dass in diesem Jahr die Finanzdirektorin Präsidentin der Regierung ist, ist Zufall. Aber eigentlich passt es doch ganz gut, denn die Finanzen sind das dominierende Thema für den Kanton.

Widmer Gysel: Die Finanzen stehen in diesem Jahr besonders im Fokus, das ist richtig. Und zwar nicht nur für das Jahr selbst, sondern auch wegen der Beschlüsse, die in diesem Jahr anstehen, die aber weitreichende Folgen für die kommenden Jahre haben werden. Aber nochmals: Deswegen habe ich nicht mehr Rechte in der Regierung, meine Geschäfte werden genauso behandelt wie die der anderen Departemente.

Was sind denn die drängendsten Probleme, mit denen unser Kanton in diesem Jahr konfrontiert ist?

Widmer Gysel: Verschiedene wichtige Entscheide stehen schon im ersten Quartal an. Nach den Sportferien wird der Kantonsrat das Entlastungsprogramm ESH3 behandeln. Die nächste Herausforderung folgt dann auf dem Fuss, das ist die Volksabstimmung über die «Steuern runter»-Initiative am 3. März. Da steht sehr viel auf dem Spiel, rund 27 Millionen Franken würden dem Kanton wiederkehrend bei einem Ja fehlen. Es wäre völlig unmöglich, diese Ausfälle zu kompensieren, ohne Aufgaben, zu denen wir gesetzlich verpflichtet sind, rigoros zu streichen. Alternativ müssten wir Aufgaben auf die Gemeinden übertragen, und damit wäre niemandem geholfen. Ebenfalls im ersten Quartal wird der Kantonsrat die Reichtumssteuer-Initiative der Alternativen Liste beraten, welche höhere Steuern für Gutverdienende fordert. Danach folgen Budget und Finanzplan; hier werden wir wegen des letztjährigen Volks-Ja zu höheren Prämienverbilligungen über die Bücher gehen müssen.

Teile des Parlaments scheinen der Regierung nicht so recht zuzutrauen, dass sie wirklich genügend Geld einsparen kann. Die ESH3-Kommission fordert weitere Einsparungen im Umfang von 1,6 Millionen Franken und hätte um ein Haar sogar ein ESH4 beantragt.

Widmer Gysel: Gut, die 1,6 Millionen Franken, die zusätzlich gefordert werden, stammten ursprünglich aus dem neuen Krankenkassendekret, können nach der Abstimmung dort aber nicht umgesetzt werden. Dass man jetzt beantragt, diesen Betrag andernorts einzusparen, ist nachvollziehbar, dagegen sperren wir uns auch nicht. Insgesamt glaube ich, dass wir der Kommission deutlich machen konnten, dass unser Handlungsspielraum eingeschränkt ist.

Die Kommission zu überzeugen, ist das eine. Relevant ist aber vor allem, was der gesamte Kantonsrat dazu meint. Wird das Parlament auf Ihrer Seite stehen?

Widmer Gysel: Zumindest was das ESH3 betrifft, glaube ich, dass der Kantonsrat eingesehen hat, dass es notwendig ist. Aber es werden ziemlich sicher Anträge kommen, noch weitere Einsparungen im Umfang von zehn Millionen Franken vorzunehmen. Wir sind derzeit in einem Spannungsfeld zwischen denjenigen, welche die Steuern erhöhen wollen, und denjenigen, welche weitere Einsparungen fordern. Dies interessanterweise übrigens, ohne dass sie sagen, wo man denn sparen sollte!

Mit den Wahlen vom letzten September ist das Parlament zu rund einem Viertel erneuert worden. Wie gut können Sie einschätzen, wie dieser neue Kantonsrat funktioniert?

Widmer Gysel: An der fundamentalen Ausrichtung des Parlaments hat sich nicht viel geändert, die Blöcke sind ja in etwa gleich gross geblieben. Es wird aber spannend sein, zu sehen, wie sich die neuen Köpfe in den Fraktionen etablieren, ich denke da an die neuen Parlamentarier etwa in der AL oder auch in der SVP.

Wie gross ist eigentlich der Sparwille beim Volk? Die Prämien-Initiative kam ja auch durch, obwohl die Regierung sehr deutlich sagte, dass der Kanton höhere Prämienbeiträge nicht finanzieren könne.

Widmer Gysel: Ich bin überzeugt, dass das Volk alles in allem einsieht, dass die Ausgaben nicht endlos ansteigen können. Bei der Prämien-Initiative war die Stimmbeteiligung mit 57 Prozent eher tief, aber si- cher ging ein guter Teil der Prämienbezüger an die Urne, deshalb reichte es für ein Ja. Wenn das Volk auch in anderen Fällen höhere Aus-gaben beschliesst, dann müssen wir diese auch finanzieren und, in letzter Konsequenz, höhere Steuern verlangen.

Frau Regierungspräsidentin, besten Dank für dieses Gespräch.

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