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«Wir werden sofort reagieren können»

Interview Rosmarie Widmer Gysel, Schaffhauser Finanzdirektorin

Schaffhauser Nachrichten, 27.10.2012 von Interview Zeno Geisseler

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Bild Seldwyn Hoffmann

Mehrere Kantone wollen die Unternehmenssteuer generell senken, sogar ein Einheitssatz für alle Kantone wird diskutiert. Schaffhausen beobachtet die Lage sehr genau.

Im Zuge des Steuerstreits mit der EU schlagen mehrere Kantone vor, die Gesamtbelastung für alle Unternehmen auf noch etwa 13 bis 16 Prozent zu senken. Was würde dies für Schaffhausen bedeuten?

Rosmarie Widmer Gysel: Schaffhausen ist in einer ganz anderen Situation als diese Kantone. Für sie brächte eine solche Senkung riesige Einschnitte, wir liegen bei den Unternehmenssteuern hingegen schon jetzt tiefer. Gemäss Steuerstatistik lag die Belastung in Schaffhausen im Jahr 2010 bei 15,97 Prozent, Basel lag bei über 23, Genf sogar über 24 Prozent. Also besteht grundsätzlich gar kein Handlungsbedarf für Schaffhausen? Widmer Gysel: Doch. Wir wollen die Steuern für die Unternehmen weiter senken und hatten dies ja schon im Jahr 2011 geplant. Weil sich die Finanzlage unerwartet verschlechterte, konnten wir diese Pläne dann nicht umsetzen. Grundsätzlich gilt diese Stossrichtung aber nach wie vor.

Es gibt Überlegungen, die tieferen Steuersätze einheitlich für alle Kantone anzuwenden. Das wäre das Ende des kantonalen Steuerwettbewerbs.

Widmer Gysel: Ja, aber das ist überhaupt noch nicht konkret, hier handelt es sich erst um Gedankenspiele. Viele Kantone sind finanziell in einer schwierigen Situation, sie könnten sich eine Senkung gar nicht oder jedenfalls viel weniger leisten als wir. Dennoch: Was würde ein solcher Einheitssatz für Schaffhausen bedeuten, auch in Franken und Rappen? Widmer Gysel: Das käme auf den tatsächlichen Umfang der Senkung an. Was ich sagen kann, ist, dass wir 2011 im Rahmen der geplanten Entlastungen von Mindereinnahmen im Umfang von rund acht Millionen Franken für den Kanton und knapp sieben Millionen Franken für die Gemeinden ausgegangen waren. Aber gegen einen Einheitssatz würden wir uns entschieden zur Wehr setzen. Warum? Widmer Gysel: Wir finden es wichtig, dass ein Wettbewerb zwischen den Kantonen stattfindet, dass die Kantone ihre Steuerhoheit behalten und die Sätze so festlegen, wie sie es für richtig halten.

Wenn der Steuerwettbewerb wegfällt, werden andere Faktoren wichtiger. Wären wir hier nicht im Vorteil? Wir sind nahe am Flughafen und an Zürich, haben kurze Wege, sind nahe an Deutschland. Damit sind wir attrak- tiver als ein Kanton in den Bergen.

Widmer Gysel: Es gehört sicher mehr zu einem attraktiven Standort als nur ein tiefer Steuersatz. Luzern etwa hat seine Steuern für Unternehmen massiv gesenkt, doch der Erfolg ist nur mässig.

Der Ursprung des Streits mit der EU ist die Besteuerung von Spezialgesellschaften. Wie wichtig sind diese für unseren Kanton?

Widmer Gysel: Es gibt im Kanton, Basis Steuerstatistik 2010, insgesamt 3640 juristische Personen, davon sind 358 Spezialgesellschaften: 164 Hol-dings und 194 gemischte Gesellschaften. Diese Spezialgesellschaften bieten rund 3000 Arbeitsplätze, sie generieren einen grossen Anteil der Steuereinnahmen der juristischen Personen. Wenn wir keine Lösung finden, könnten diese Gesellschaften ihren Sitz verlegen und Schaffhausen, aber auch die Schweiz verlassen.

Sind dies alles Firmen, welche die Wirtschaftsförderung in den Kanton geholt hat?

Widmer Gysel: Nein, bei Weitem nicht alle. Diese Spezialformen gibt es ja schon über 50 Jahre, und auch einige alteingesessene, hiesige Firmen nutzen diesen speziellen Steuerstatus.

Wie sollte eine ideale Lösung des Steuerstreits aussehen?

Widmer Gysel: Sicher ist, dass wir nicht einfach wieder eine neue Form von Spezialgesellschaft kreieren können. Davon müssen wir wegkommen. Dieser Status lässt sich wohl nicht aufrechterhalten. Am einfachsten wäre es schon, den Steuersatz für alle Unternehmen anzupassen.

Vom kleinen Coiffeurladen bis zum Grosskonzern?

Widmer Gysel: Ja, sofern der Coiffeur als juristische Person auftritt.

Die Basler Finanzdirektorin Eva Herzog fordert, dass Kantone, die ihre Unternehmenssteuer senken, im Gegenzug aus dem Finanzausgleich entschädigt werden sollen. Was halten Sie davon? Wir gehören ja neu auch zu den Nettozahlern.

Widmer Gysel: Mein Eindruck ist, dass sowohl mit dem Finanzausgleich als auch mit der möglichen Senkung der Unternehmenssteuern vor allem versucht wird, Druck auf Bern auszuüben. Starke Kantone wie Zug und Schwyz wollen den Finanzausgleich pro Kopf limitieren, grosse Kantone wie Zürich und Basel führen Steuersenkungen ins Feld und fordern, dass der Bund einen Teil übernehmen soll.

Zeichnet sich denn eine Lösung ab?

Widmer Gysel: Der Bund kann entweder seine Bundessteuern für Unternehmen senken, damit würde die Gesamtbelastung für die Firmen in allen Kantonen gleichermassen fallen, oder er kann die Senkung den Kantonen überlassen. Ich denke nicht, dass es zu einem Einheitssatz kommt, sondern eher, dass eine minimale Untergrenze festgelegt wird.

Wäre das gut?

Widmer Gysel: Wichtig ist, dass man im Vergleich mit anderen Staaten auch wirklich alle Abgaben vergleicht. In gewissen Ländern bezahlen die Unternehmen zum Beispiel auf Lizenzen nahezu keine Steuern, solche Sachen muss man unbedingt auch berücksichtigen, sonst sind die Spiesse ungleich lang, auch wenn die Steuersätze auf dem Papier identisch sind.

Wie geht es weiter?

Widmer Gysel: Bern ist nach wie vor am Ball, die EU erwartet ja eine Lösung bis Ende Jahr. Ich gehe davon aus, dass es danach eine Übergangsfrist von mehreren Jahren gibt. Unsere Task- Force der Steuerverwaltung und der Wirtschaftsförderung ist auf verschiedene Szenarien vorbereitet und hat mehrere Modelle gerechnet. Sobald das Ergebnis der Verhandlungen bekannt ist, werden wir sofort reagieren können.

Frau Regierungsrätin, besten Dank für dieses Gespräch.

Archiv SN

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