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Wir müssen uns nach der Decke strecken

Interview Rosmarie Widmer Gysel

Schaffhauser Nachrichten, 30.06.2010 von Interview: Walter Joos

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Rosmarie Widmer Gysel hat vor 90 Tagen ihre neue Rolle als Vorsteherin des Finanzdepartementes übernommen. Eine erste Bilanz.

Frau Widmer Gysel, am 1. April sind Sie vom Erziehungsdepartement auf dem Herrenacker ins Finanzdepartement auf dem Geissberg umgezogen. Wie fühlen Sie sich in Ihrer neuen Funktion als Vorsteherin des Finanzdepartementes?

Rosmarie Widmer Gysel: Ich habe einige Zeit gebraucht, um mich am neuen Ort einzuleben. Das Bildungswesen hat mich nicht nur fasziniert, sondern hat mich auch sehr stark beschäftigt. Trotz des Umstandes, dass ich bereits früher im Finanzwesen tätig gewesen war, musste ich mich in den ersten zwei Monaten zuerst im Detail in eine Vielzahl von neuen Dossiers einarbeiten. Inzwischen habe ich das Wichtigste im Griff.

Heinz Albicker hat Ihnen einen wohlgeordneten Finanzhaushalt hinterlassen. Nach sieben fetten Jahren drohen nun allerdings die Erträge als verzögerte Auswirkung der weltweiten Finanzkrise zu stagnieren. Besorgt?

Widmer Gysel: Das Finanzdepartement ist keine One-Man-Show. Damit wir Einnahmen und Ausgaben in einem vernünftigen Gleichgewicht halten können, müssen alle Massnahmen stimmen. Dazu gehören der haushälterische Umgang mit den vorhandenen Mitteln, ein gutes Steuerklima und eine gezielte Weiterentwicklung unseres Kantons als Wirtschaftsstandort und als attraktiver Lebensraum.

Wo sehen Sie für die kommenden Jahre die grössten Herausforderungen?

Widmer Gysel: Die Regierung will ihre zu Beginn dieses Jahrtausends definierte Strategie fortsetzen. Wir streben in erster Linie ein qualitatives Wachstum an. Dazu gehören der Zuzug von Familien mit Kindern, neue Arbeitsplätze, gute Verkehrsverbindungen, eine vernünftige Steuerbelastung und ein angemessenes Immobilienangebot.

Unter Ihrem Vorgänger wurde die Steuerbelastung in regelmässigen Schritten reduziert. Sie liegt jedoch nach wie vor über dem Durchschnitt der benachbarten Gemeinden im Kanton Zürich. Wollen und können Sie die bisherige Steuerpolitik fortsetzen?

Widmer Gysel: Wir wollen das Steuergesetz im kommenden Jahr erneut revidieren. Dabei sollen die Steuerpflichtigen vor allem dort entlastet werden, wo der Bedarf bei den Steuerzahlern am grössten ist und dem Kanton und den Gemeinden gleichermassen nützt. Wir sind im Moment daran, unsere Vorstellungen zu konkretisieren.

Die Forderung der FDP/CVP/JF-Fraktion nach einer Reduktion des Steuerfusses um fünf Prozent für das kommende Jahr haben Sie jedoch anlässlich der letzten Sitzung des Parlamentes abgelehnt. Heisst das, dass Sie für das kommende Jahr keine weitere Entlastung planen?

Widmer Gysel: Ich bin keine Anhängerin der sogenannten «Rasenmäher»-Methode. Ich will ausserdem zuerst wissen, was wir uns an Ertragsausfällen tatsächlich leisten können und in welchen Bereichen der steuerpolitische Handlungsbedarf am grössten ist. Aufgrund der neusten Zahlen und der derzeitigen Steuereingänge wissen wir in zwei Monaten mehr.

Wo liegen wir denn heute im interkantonalen Vergleich der Steuerbelastung?

Widmer Gysel: Bei den juristischen Personen lagen wir zu Beginn dieses Jahres an fünfter Stelle. Aufgrund der zurzeit in diversen anderen Ständen laufenden Steuergesetzrevisionen dürften wir jedoch - bei unveränderten Tarifen - bis 2013 auf den zehnten Platz zurückfallen. Das gilt es im Interesse des Kantons zu verhindern. Die Erfahrung zeigt, dass die bewusst in Kauf genommenen Ausfälle dank dem Zuzug neuer Unternehmen innerhalb weniger Jahre kompensiert werden.

Wie präsentiert sich die Lage bei den natürlichen Personen?

Widmer Gysel: Hier haben wir bei der letzten Revision des Steuergesetzes vor allem den Mittelstand sowie Familien mit Kindern entlastet. In einem nächsten Schritt möchten wir auch für die gut verdienenden Steuerpflichtigen - das heisst für Einkommen von über 100 000 Franken und für grössere Vermögen - attraktiver werden. Hier schneiden wir im Quervergleich mit den benachbarten Kantonen im Moment nicht gut ab.

Der aktuelle Finanzplan prognostiziert in der laufenden Rechnung bei weiterhin steigendem Aufwand etwa gleichbleibende Erträge. Wie wollen Sie dieser wenig erfreulichen Tendenz Einhalt gebieten?

Widmer Gysel: Der Finanzplan geht davon aus, dass wir spätestens 2013 in der laufenden Rechnung wieder einen ausgeglichenen Haushalt aufweisen. Ob das tatsächlich so ist, hängt vor allem von der weiteren Entwicklung unserer Wirtschaft und der einheimischen Bevölkerung ab. Es gibt zudem eine ganze Reihe wesentlicher Faktoren, die nicht voraussehbar sind. Wir müssen uns deshalb auch in Zukunft nach der Decke strecken.

Heisst das, dass Sie dem Parlament demnächst ein weiteres Programm zur Entlastung des Staatshaushaltes unterbreiten werden?

Widmer Gysel: Der Regierungsrat hat im Rahmen der Finanzplanung 2010-2013 in den verschiedensten Bereichen sehr grosse Abstriche vorgenommen, um sicherzustellen, dass das Haushaltgleichgewicht bei einer Erholung der Wirtschaft wieder erreicht wird. Die Ausgaben mit den Einnahmen in Einklang zu bringen, ist eine Daueraufgabe, der wir uns stellen und womit wir bisher gut gefahren sind. Das ist un-ser Sparprogramm. Das heisst aber nicht, dass Sparprogramme ein für alle Mal vom Tisch sind.

Um unsere Attraktivität zu steigern und um die vorhandene Infrastruktur à jour zu halten, bedarf es in den kommenden Jahren nicht nur eines guten Steuerklimas, sondern auch verschiedener grösserer Investitionen. Wo liegen für Sie die Prioritäten?

Widmer Gysel: Der Schwerpunkt unserer Investitionen liegt in den kommen- den Jahren in den Bereichen Verkehr, Gesundheit und Sicherheit. Wir müssen zum einen unsere Spitäler modernisieren und brauchen zum andern ein neues Sicherheitszentrum. Aber auch im Bildungswesen, beim Ausbau der Verkehrswege und bei der Informatik besteht Handlungsbedarf.

Im Bildungswesen geht es vor allem um die Umsetzung von neuen Projekten und um die Verteilung der Lasten zwischen dem Kanton und den Gemeinden. Laut Aussage Ihres Nachfolgers im Erziehungsdepartement zahlt der Kanton im Moment pro Jahr 2,5 Mio. Franken zu viel.

Widmer Gysel: Aufgrund des geltenden Schulgesetzes werden die Bildungslasten im Verhältnis von rund 60 zu 40 Prozent vom Kanton und von den Gemeinden getragen. Wenn sich die Belastungsverhältnisse verschieben, hat der Kantonsrat den Subventionssatz so anzupassen, dass das Verhältnis wieder erreicht wird. Die Lasten haben sich entsprechend verschoben, sodass die Anpassung, die rund 2,5 Millionen Franken ausmacht, fällig ist. Sie entspricht rund 0,5 Prozent der Gemeindeeinnahmen.

Sollte sich die Regierung angesichts der unterschiedlichen Finanzlage von Kanton und Gemeinden nicht etwas grosszügiger verhalten?

Widmer Gysel: Die finanzielle Lage der Gemeinden ist unterschiedlich, aber insgesamt sehr gut. Unter Berücksichtigung der getätigten zusätzlichen Abschreibungen sind die Überschüsse der Gemeinden in den letzten Jahren gesamthaft und unter Berücksichtigung der Grösse des Haushaltes mit denen des Kantons vergleichbar. Der Kanton hat die Gemeinden in den letzten Jahren bei verschiedenen Ausgaben entlastet und den Finanzausgleich verstärkt. Wir sperren uns aber nicht, die Aufgabenteilung sinnvoll zu verbessern. Das Bildungswesen ist und bleibt eine wichtige Verbundaufgabe.

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