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Vom Wolfsbüel bis zur Pfaffenwiese

Schaffhauser Nachrichten, 30.08.2007 von Martin Schweizer

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Unter Leitung von zunächst zwei Germanisten soll in den nächsten Jahren ein Buch mit schätzungsweise 9600 Orts- und Flurnamen des Kantons Schaffhausen entstehen.

Vorbild in gewissem Sinn ist ein umfangreiches und eben fertig erstelltes Namensbuch mit 30 000 Orts- und Flurnamen des Kantons Thurgau. Massgebend mitgearbeitet hat dort der in Neuhausen aufgewachsene Germanist und ehemalige Gymnasiallehrer Eugen Nyffenegger, der jetzt auch für das Schaffhauser Unternehmen als Projektleiter gewonnen werden konnte. Er wird anfänglich für die Systematik zuständig sein und bildet zusammen mit dem jüngeren Germanisten und Sprachvirtuosen Stefan Würth vorerst ein Zweierteam. Weitere Mitarbeiter werden folgen.

Datenbank vom Thurgau

Als willkommener Nebeneffekt stellt der Kanton Thurgau den Schaffhausern nun auch seine Datenbanksysteme kostenlos zur Verfügung. Als «Heimwehschaffhauser» arbeitet der in Kreuzlingen wohnhafte Projektleiter zudem ehrenamtlich, wie Nyffenegger gestern an einer Medienkonferenz im Restaurant Schützenstube im Zusammenhang mit der Finanzierung des aufwendigen Vorhabens erklärte.
Das auf ungefähr 1400 Seiten und auf zwei Bände angelegte Werk wird damit voraussichtlich etwa 800 000 Franken kosten, finanziert wird es neben einzelnen privaten Sponsoren weit gehend vom Bund über den Nationalfonds sowie vom Kanton, der die Mittel aus dem Lotteriefonds freigibt und mit Regierungsrätin Rosmarie Widmer Gysel den Vorsitz im wissenschaftlichen Kuratorium übernommen hat.

Abschluss in sieben Jahren

Zur Medienkonferenz ins «Schützenstübli» hatte gestern Eduard Joos eingeladen. Der Historiker ist Präsident des vor einem Jahr gegründeten «Vereins zur Herausgabe des Schaffhauser Flurnamenbuches» und hofft, die umfangreiche Publikation in sieben Jahren, bis 2013, abschliessen und der Öffentlichkeit vorstellen zu können. Die Grundlage für das Buch liefert das kantonale Vermessungsamt, das gemäss Ausführungen des gestern ebenfalls anwesenden Geometers Joseph Halytskyj seit 1920 die Flurnamen des Kantons sammelt, ordnet und archiviert. Im Zuge einer schrittweisen Digitalisierung der Daten konnten das Archiv in den Neunzigerjahren verfeinert und bestehende Lücken in den Gemeinden geschlossen werden. Die heutige Flurkommission kann die Erhebung demnächst definitiv beenden.

Alte Sammlungen

Auch diese Arbeit basiert aber auf früheren Sammlungen, im 19. Jahrhundert fand eine erste kantonale Vermessung durch meist südbadische Geometer statt, eine erste Namenssammlung veröffentlichte 1868 der spätere Staatsarchivar Johannes Meyer; es folgte ein schmaler Band von Gottfried Walter und Daten aus einer Feldforschung der erstmals 1919 vom Regierungsrat eingesetzten Flurkommission. Das Werk blieb ein Torso, soll aber jetzt zur Blüte gebracht werden, wie gestern blumig und sachkundig wie eh und je Alfred Richli in seiner Eigenschaft als Mundartforscher sagte.

Grosses Interesse

Der ausgewiesene Kenner von Orts- und Flurnamen ist überzeugt, dass das Interesse an den eigenen Wurzeln in unserer «gleichgeschalteten, globalisierten Welt» grösser denn je ist, auch Neuzugezogene würden sich immer wieder nach dem kostbaren, aber gefährdeten Kulturgut erkundigen. Flurnamen deckten die ungeschriebene Geschichte der Siedlungsräume auf, zeichnen Geländeformen, Bodennutzung, Urbarmachungen nach. «Rütti» und «Rüttene» beispielsweise heissen Rodungsflächen, am «Chelberbach» wurden Kälber getränkt. Es geht aber auch um die einheimische Pflanzengeschichte oder um Besitz- und Rechtsverhältnisse mit Namen wie «Heerewis» oder «Widem». Und um Humor, wenn uns unsere Vorfahren gar ein «Nasenlöchli» vererben.
Aathööptere So nannte man in Beggingen einst das Ackerende, auf dem der Pflug gewendet wird
Flurnamen spielen nach wie vor eine Rolle bei der Bezeichnung von Grundstücken, ihre Bedeutung ist allerdings heute nicht immer mehr sofort ersichtlich. Ein Beispiel gab an der Medienkonferenz in der «Schützenstube» Stefan Würth, der wie Eugen Nyffenegger bereits am Thurgauer Namensbuch mitgewirkt hat und von Eduard Joos gestern als wahres «Sprachgenie» vorgestellt wurde; Würth spreche vier Fremdsprachen, kenne sich in allen germanischen Einzelsprachen und zusätzlich in Latein, Sanskrit, Altirisch und Mittelkymrisch aus.

Aathööptere nun nannte man in Beggingen gemäss Stefan Würth früher das Kopfende eines Ackers, auf dem der Pflug (auf dem eigenen Grund) gewendet wurde. In Gächlingen bezeichnete man denselben Vorgang Aawand. Hergeleitet wird das Wort von anawanta, von Wende.
Die Bezeichnungen weisen auf ein weit ins 13. Jahrhundert zurückgehendes Anwenderrecht als Teil des Nachbarrechts hin. Interessanterweise wurde die Nutzung des Ackerendes manchmal auch «armen Leuten» überlassen.

Quelle