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Taktische Rücktritte rechnen sich

Schaffhauser Nachrichten, 22.08.2017 von Zeno Geisseler

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Rosmarie Widmer Gysel

Heinz Albicker

Erhard Meister

Hans-Peter Lenherr

Die Mehrheit der Schaffhauser Regierungsräte kam bei Ersatzwahlen ins Amt. Rücktritte mitten in der Legislatur sind moralisch umstritten, aber sichern den Sitz.

Rücktritte während der Amtszeit gelten als verpönt, sie sind im Schaffhauser Regierungsrat aber eher der Normalfall als die Ausnahme: Wenn am 1. April 2018 die Nachfolgerin oder der Nachfolger von Rosmarie Widmer Gysel (SVP) die Arbeit aufnimmt, wird die Regierung zur Mehrheit aus Personen bestehen, die nicht bei einer Gesamterneuerungswahl ins Amt gekommen sind. Nur die beiden Regierungsjüngsten, Martin Kessler (FDP) und Walter Vogelsanger (SP), wurden zum Anfang einer Legislaturperiode ins Amt gehievt. Die drei anderen Regierungsräte hingegen, nachdem ein Mitglied die Kantonsregierung vorzeitig verlassen hatte.

So wurde der künftig amtsälteste Regierungsrat, Christian Amsler (FDP), 2009 als Nachfolger von Heinz Albicker gewählt. 2010 schaffte Ernst Landolt (SVP) nach dem Rücktritt von Erhard Meister den Sprung in die Regierung. Auch Reto Dubach, der Ende 2016 aus der Regierung ausschied, war 2007 bei einer Ersatzwahl ins Amt gekommen, für Hans-Peter Lenherr.

Dass in dieser Aufzählung nur bürgerliche Parteien auftauchen, ist kein Zufall. SVP, FDP und ihnen zugewandte Kleinparteien halten eine komfortable Mehrheit im Kanton, weshalb sie bürgerliche Sitze bei Ersatzwahlen problemlos gegen links-grüne Angriffe verteidigen können, jedenfalls, solange sich die Bürgerlichen nicht gegenseitig konkurrenzieren.

Nachrücken in den Nationalrat

Für die SP hingegen wäre eine Auswechslung mitten in der laufenden Legislatur äusserst risikoreich. Die Linken müssten darauf vertrauen, dass die bürgerlichen Parteien gar nicht erst antreten, sonst wäre ihr Sitz angesichts der Kräfte im Kanton gefährdet. Für die SP ist es deshalb einfacher, neue Leute bei Gesamterneuerungswahlen aufzustellen: Dort reicht bereits die fünftbeste Stimmenzahl für den Einzug in die Regierung.

Beim Nationalrat hingegen ist ein taktischer Rücktritt auf halber Distanz auch für die SP möglich. So zog sich SP-Vertreter Hans-Jürg Fehr 2013 mitten in der Legislatur zurück. Trotzdem war der SP ihr Sitz sicher, denn anders als beim Regierungsrat kommt es bei Nationalratsmandaten bei Rücktritten nicht zu einer Ersatzwahl, stattdessen rückt einfach die nächste Person auf der Liste nach.

So kam Martina Munz nach Bern, ohne dass die anderen Parteien ihren Sitz hätten herausfordern können. Und bei den nächsten Wahlen profitierte sie dann schon vom Bisherigenbonus.

Auch wenn taktische Überlegungen eine grosse Rolle spielen, werden sie nie direkt als Rücktrittsgrund ins Feld geführt – das ziemte sich nicht. Eher heisst es, man wolle nach all den Jahren im Dienst der Öffentlichkeit «eine neue Herausforderung annehmen» (Hans-Peter Lenherr), «mehr Selbstbestimmung, mehr Zeit für Familie und Hobby erhalten» (Heinz Albicker) oder schlicht «mehr persönliche Freiheit» (Erhard Meister). Ebenso üblich ist es, darauf hinzuweisen, dass wichtige Geschäfte abgeschlossen seien und es deshalb ein guter Zeitpunkt für einen Wechsel sei. Manchmal wird auch noch das Alter ins Feld geführt. All diese Begründungen ändern aber nichts an der Tatsache, dass ein Rücktritt während der Amtszeit umstritten ist.

Der – neben gesundheitlichen Pro­blemen – einzige unumstrittene Rücktrittsgrund konnte in Schaffhausen im Gegensatz zu anderen Kantonen noch nie ins Feld geführt werden: die Wahl in den Bundesrat.

Vorzeitige Rücktritte sind verpönt, aber fast schon der Normalfall. Jedenfalls bei den bürgerlichen Parteien FDP und SVP.

Bericht SN