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Steuerstreit: So will der Kanton Schaffhausen Gegensteuer geben

Schaffhauser Nachrichten, 07.11.2013 von Zeno Geisseler

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«Gar nichts zu tun, wäre die schlechteste aller Lösungen»: Rosmarie Widmer Gysel. Bild Selwyn Hoffmann

Die heutigen Sondersteuern für bestimmte Unternehmensformen sollen durch ein neues System ersetzt werden.

Bestimmte Unternehmensformen werden im Kanton Schaffhausen wie auch in anderen Kantonen besonders günstig besteuert, doch wegen des Steuerstreits mit der EU dürften diese Steuerregimes früher oder später wegfallen. Verlieren internationale Unternehmen, die in den letzten Jahren nach Schaffhausen gezogen sind, ihre Steuerprivilegien, ist davon auszugehen, dass ein guter Teil den Standort wechseln wird. Für Schaffhausen hätte das grosse Folgen, denn die knapp 170 Holding- und die fast 200 Verwaltungsgesellschaften bieten rund 3000 Arbeitsplätze und generieren ein Viertel bis ein Drittel der Steuereinnahmen der juristischen Personen. Auch die Mitarbeiter gehören zu den guten Steuerzahlern.

Langsam wird nun deutlicher, wie Schaffhausen dieses Problem lösen könnte. Regierungsdirektorin und Finanzdirektorin Rosmarie Widmer Gysel hat gestern an einer Medienkonferenz mitgeteilt, dass die Regierung eine sogenannte Innovationsbox einführen will. Im Kern geht es darum, dass Erträge auf geistigem Eigentum gesondert besteuert werden. Diese Regel würde für alle Unternehmen, eingesessene wie angesiedelte, gelten. Und da ähnliche Systeme innerhalb der EU bereits angewendet werden, wäre eine Schweizer Innovationsbox nicht angreifbar. Das gleiche System ist auch in Basel-Stadt geplant. Allerdings bleiben noch viele Fragen offen: etwa, was die genauen finanziellen Auswirkungen wären, wann der Systemwechsel erfolgen würde, ob der Bund die Kantone für allfällige Ausfälle entschädigen würde und was die Folgen für den Finanzausgleich wären.

Wie der Steuerstreit gelöst werden könnte

Rund 3000 Arbeitsplätze und ein guter Teil der Unternehmenssteuern könnten in Schaffhausen verloren gehen, wenn die Spezialgesellschaften ihre steuerlichen Vorteile verlieren. Jetzt zeichnet sich eine Lösung ab.

Fragt man die Wirtschaftsförderung, warum ausländische Unternehmen Schaffhausen mögen, dann wird die Flughafennähe hervorgehoben, die Lage im Herzen Europas, die International School und die schöne Landschaft. Diese Faktoren mögen für die Mitarbeitenden vor Ort entscheidend sein, für die Finanzchefs in den meist weit entfernten Hauptquartieren zählt allerdings vor allem eines: wie viel Geld die Firma mit einer Ansiedlung in Schaffhausen sparen kann.

Fast 170 Holding- und knapp 200 Verwaltungsgesellschaften mit zusammen etwa 3000 Arbeitsplätzen profitieren in Schaffhausen von besonders tiefen Steuern. Diese Statusgesellschaften kommen für einen Viertel bis einen Drittel der Einnahmen von juristischen Personen auf. Sogar ein Viertel des Schaffhauser Bruttoinlandsprodukts stammt von ausländischen Konzernen. Neben Schaffhausen hängen nur noch die Kantone Zug und Basel-Stadt ähnlich stark von diesen Firmen ab.

Die ersten Firmen gehen wieder

Nun wird immer deutlicher, dass es mit der Vorzugsbehandlung für diese Unternehmen zu Ende geht. Seit die EU die kantonalen Steuerregimes im Jahr 2007 als unerlaubte staatliche Beihilfe taxierte, schwelt der Steuerstreit. Mit Sondierungsgesprächen und seit 2012 mit Verhandlungen soll eine Lösung erzielt werden. Diese drängt: Noch in diesem Sommer verlangt die EU konkrete Fortschritte. Auch der Kanton Schaffhausen hoffe auf eine schnelle Lösung, sagte gestern Regierungspräsidentin und Finanzdirektorin Rosmarie Widmer Gysel bei der Vorstellung der jährlichen Steuerstatistik (siehe auch Kasten). Denn solange nicht klar ist, welche Regeln künftig gelten, überlegen es sich ausländische Unternehmen zweimal, ob sie tatsächlich zu uns kommen wollen. Weil andere Länder, etwa Grossbritannien, heute ebenfalls aggressiv um Unternehmenssitze buhlen, droht die Ansiedlungsstrategie der Kantone zu scheitern. Bereits ziehen erste Unternehmen wieder aus der Schweiz weg. Anfang Juli meldete die Erdölservice-Gesellschaft Noble Corp., dass sie ihren Hauptsitz von Baar im Kanton Zug nach Grossbritannien verlegt – aus steuerlichen Gründen.

Fischen im Trüben

In Schaffhausen ist man nicht untätig geblieben. 2011 erteilte die Regierung einen Auftrag zur Prüfung von Alternativen und der Berechnung von Szenarien. Greifbare Resultate hat es bis jetzt jedoch keine gegeben, was aber nicht die Schuld Schaffhausens ist: Die Verhandlungen mit der EU und die Unternehmenssteuerreform III sind Sache des Bundes. Solange nicht klar ist, was künftig Sache ist, können die Kantone zwar, wie in Schaffhausen, Task-Forces einsetzen, Rechnungen anstellen und über Lösungen brüten, aber Nägel mit Köpfen machen können sie eben nicht. Offen im Zusammenhang mit der Unternehmenssteuerreform sind insbesondere die Anpassungen beim Finanzausgleich, die Kompensation des Bundes und die Übergangsfristen. Was die bisherigen Schaffhauser Sonderregelungen betrifft, sollen diese laut Widmer Gysel durch eine sogenannte Innovationsbox ersetzt werden. Den gleichen Ansatz verfolgt auch der Kanton Basel-Stadt. Laut einem Bericht der NZZ soll der Basler Vorschlag Reduktionen bei der kantonalen Gewinnsteuer zulassen für Erträge auf Patenten und Markenrechten sowie auf nicht patentierbaren immateriellen Gütern und Verfahren, denen eine hohe Innovationstätigkeit zugrunde liegt. Die neue Regel soll für alle Unternehmen gleichermassen gelten, also für eingesessene wie für zugezogene. In Schaffhausen erhält das Finanzdepartement den Auftrag, die Grundlagen für eine solche Innovationsbox auszuarbeiten. Wann sie kommt und was die finanziellen Folgen sein werden, ist aber noch völlig offen. Klar ist für Finanzdirektorin Widmer Gysel aber eines: «Die schlechteste aller Lösungen wäre, gar nichts zu tun.»

Steuerstatistik:  Über 2000 Millionäre im Kanton Schaffhausen

Die Zahl der Vermögensmillionäre im Kanton Schaffhausen ist im Jahr 2011 gestiegen. Laut den gestern veröffentlichten Zahlen der Steuerstatistik haben 2001 Primärsteuerpflichtige ein Vermögen von einer Million Franken oder mehr angegeben, das sind 33 Personen mehr als im Vorjahr.

Der grosse Teil dieser Steuerpflichtigen, 1851, hält ein Vermögen von 1 bis 5 Millionen Franken. 42 Personen halten ein Vermögen von über 10 Millionen Franken. Diese 42 Steuerpflichtigen kommen auf ein Gesamtvermögen von 1,06 Milliarden Franken – im Schnitt besitzt also jeder von ihnen über 25 Millionen Franken. 0,09 Prozent der Schaffhauserinnen und Schaffhauser besitzen 11,5 Prozent des steuerbaren Gesamtvermögens. 60 Prozent der Personen geben ein Vermögen von null Franken an. Diese Zahlen sind wie immer mit Vorsicht zu geniessen: Zum einen gibt es grosszügige Abzugsmöglichkeiten, zum anderen werden gewisse Vermögenswerte, namentlich Pensionskassengelder, nicht erfasst. Insgesamt betragen die Einnahmen aus der Vermögenssteuer 19,1 Millionen Franken, 1,9 Prozent mehr als im Vorjahr

3000 verdienen null Franken

Auch bei den Einkommensmillionären zeigt die Richtung nach oben: Haben 2010 noch 29 Personen (bzw. Steuerdossiers; Eheleute etwa werden ja gemeinsam veranlagt) ein Gesamteinkommen von einer Million Franken oder mehr deklariert, waren es im Jahr 2011 bereits 33. Der Grossteil der Steuerpflichtigen backt aber kleinere Brötchen: Knapp 40 000 Personen, 89 Prozent der Steuerpflichtigen, geben ein Jahreseinkommen von unter 100 000 Franken an. Diese bilden allerdings das Rückgrat der Steuererträge: Sie bezahlen mehr als die Hälfte der gesamten Einkommenssteuer. Rund 3000 Personen haben ein Gesamteinkommen von null. Insgesamt hat die Zahl der steuerpflichtigen Personen um 1,8 Prozent zugenommen. Die Einnahmen aus der Einkommenssteuer sind stärker gestiegen, um 2,6 Prozent.

Firmen: Mehrheit kein Gewinn

Auch bei den juristischen Personen, also den Unternehmen, haben sich die Zahlen positiv entwickelt, denn die Steuererträge (+3,6 Prozent) sind stärker gewachsen als die Zahl der Unternehmen (+2,4 Prozent). Bemerkenswert ist, dass fast zwei Drittel aller Unternehmen überhaupt keinen Gewinn versteuern. Wertlos seien diese Firmen für den Kanton und die Gemeinden aber dennoch nicht, betonte Finanzdirektorin Widmer Gysel. Denn auch diese Firmen, in der Regel KMU, würden Arbeitsplätze schaffen und ihren Beitrag zur Wirtschaft leisten. Bemerkenswert ist, dass nur 96 Unternehmen, also ein Fünfzigstel aller Firmen, einen steuerbaren Gewinn von über einer Million Franken erzielten. Diese Firmen generieren 80 Prozent der Gewinnsteuer.

Orginalbericht SN