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Schaffhausen in der Sparfalle

Nach dem Verdikt des Stimmvolks muss die Regierung erstmals ohne Budget agieren

Neue Zürcher Zeitung, 14.04.2015 von Jürg Krummenacher

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Der Kanton Schaffhausen sitzt in der Sparfalle. Am Sonntag hat das Stimmvolk das Budget 2015 verworfen, nun droht Stillstand, weil keine Investitionen getätigt werden können. Offen ist, wie der Kanton zum finanziellen Gleichgewicht zurückfindet.

Kompromisse haben es gelegentlich schwer vor dem Souverän. Das Schaffhauser Kantonsparlament beschloss im vergangenen November mit 34:21 Stimmen, den Steuerfuss um zwei Prozentpunkte zu erhöhen und gleichzeitig Ausgabenkürzungen in Höhe von 3,3 Millionen Franken vorzunehmen. Die Bürgerlichen wollten eigentlich gar keine Steuererhöhung, während die Ratslinke Kürzungen im Sozial- und Bildungsbereich ablehnte. Seit Sonntag ist der Kompromiss vom November Makulatur: Das Stimmvolk hat das Budget relativ klar mit 54,4 Prozent Nein-Stimmen verworfen. Das Rechnen und Debattieren kann von vorne beginnen. 

40 Millionen Franken fehlen 

Die strittigen Massnahmen waren Teil des Entlastungspakets, mit dem Schaffhausen seinen Staatshaushalt innert dreier Jahre wieder ins Lot bringen will - eine wenig beglückende Aufgabe, wie sie die meisten anderen Kantone ebenfalls bewältigen mussten oder müssen. 40 Millionen Franken sind es, die in Schaffhausen zu einer ausgeglichenen Rechnung fehlen.

Gemäss Kantonsverfassung kann gegen ein Budget das Referendum ergriffen werden, sofern es eine Änderung des Steuerfusses einschliesst. Diese Chance nutzten SP und Juso, obwohl sie - Ironie der Politik - keineswegs gegen die Steuererhöhung waren, sondern letztlich einzelne Kürzungen im Sozial- und Bildungsbereich nicht mittragen wollten. Die Volksmehrheit hat ihnen, allerdings mit disparaten Motiven, recht gegeben.

Heikle Kürzungen

 Mit ihrem Budgetreferendum wollte die Linke ein Zeichen setzen gegen den, wie sie es nennt, «asozialen Sparwahn» des Entlastungspakets, das in diversen Teilen erst noch vom Kantonsrat beraten wird. Bereits für das Budget 2015 waren aber Einsparungen etwa bei IV-Heimen vorgesehen, ausserdem die Aufhebung von zwei Berufsvorbereitungsklassen, die Streichung von Beiträgen an die freiwilligen gestalterischen Vorkurse oder geringere Schulgeldbeiträge für Berufs- und Handelsmittelschulen. Den Spareffekt allein dieser umstrittenen Massnahmen bezifferte der Kanton mit 937 000 Franken.

Innerhalb von drei Wochen will die Regierung nun eine neue Budgetvorlage ausarbeiten, die Ende Juni vom Kantonsrat behandelt werden soll. Für Finanzdirektorin Rosmarie Widmer Gysel stellt sich dabei das Problem, das Abstimmungsergebnis «richtig» zu interpretieren und eine breit akzeptierte Balance zwischen Mehreinnahmen und Sparmassnahmen zu finden. «Beides tut den Leuten weh», sagt sie: «mehr Steuern zahlen und sparen».

Widmer lässt denn auch offen, in welche Richtung die Regierung gehen könnte. Einerseits habe sich die bürgerliche Ratsmehrheit schon mit der Steuererhöhung um zwei Prozent schwergetan, anderseits sei man bei den sozialen Kürzungen vielleicht etwas zu wenig sensibel gewesen. Die Regierung habe sich bei ihrem Massnahmenpaket aber auf den Quervergleich mit anderen Kantonen gestützt und dort Kürzungen vorgenommen, wo Schaffhausen überdurchschnittlich hohe Ausgaben gehabt habe.

Abstriche am Entlastungspaket will die Regierung jedenfalls nicht vornehmen. Jene Elemente, über die der Kantonsrat noch zu entscheiden hat, liegen ohnehin bereits bei dessen Spezialkommission. Das Parlament aber wird nicht umhinkommen, auf das Votum des Stimmvolks zu reagieren. Sonst drohen bei weiteren Abstimmungen über das Entlastungspaket weitere Niederlagen.

Notbudget bis Ende Juli

Frühestens Ende Juli, wenn die neuerliche Referendumsfrist verstrichen ist, wird Schaffhausen über ein gültiges Budget verfügen. Bis dahin dürfen nur gebundene Ausgaben getätigt werden - eine Situation, in der sich Schaffhausen erstmals überhaupt befindet und die von Rosmarie Widmer Gysel als äusserst unangenehm bezeichnet wird. Investitionen sind nicht erlaubt, sofern sie nicht als dringlicher Unterhalt gelten. Weder könne die Regierung Weiterentwicklungen tätigen noch eine proaktive Politik betreiben, bedauert die Finanzdirektorin. «Auch wenn die Bevölkerung das aktuell nicht spürt, wird es auf die Dauer Mehrkosten verursachen.» Bei den Einnahmen entfallen für den Kanton derzeit auch die zusätzlichen Steuerprozente, auf die er eigentlich angewiesen wäre. «Uns tut jeder Franken weh», sagt Widmer Gysel.

Auch die Kantonsangestellten müssen warten: auf die vom Parlament eigentlich gewährte durchschnittliche Lohnerhöhung um 0,8 Prozent. Diese bleibt, wie der gesamte Staatsvoranschlag, in der Schwebe.

Originalbericht NZZ