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Reichensteuer-Initiative abgelehnt

Schaffhauser Nachrichten, 12.01.2014 von Zeno Geisseler

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Bild Seldwyn Hoffmann

Der Kanton Schaffhausen bittet Leute mit hohen Einkommen nicht stärker zur Kasse. Das Stimmvolk hat gestern eine Initiative der Alternativen Liste abgelehnt, welche für Leute mit Einkommen von über 210 100 Franken höhere Steuern verlangt hatte. Auf 16 926 Nein (53,6 Prozent) kamen nur 14 631 Ja (46,4 Prozent).

Von 26 Gemeinden sagten nur deren zwei Ja, dafür aber die beiden grössten, die Kantonshauptstadt Schaffhausen und Neuhausen am Rheinfall. An beiden Orten waren die Ja-Mehrheiten aber sehr knapp: 51,16 Prozent in der Stadt Schaffhausen und 51,14 Prozent in Neuhausen. Am deutlichsten abgelehnt wurde die Initiative in Stetten, wo viele Leute mit hohen Einkommen leben. Dort sagten knapp 70 Prozent der Stimmenden Nein. Ebenfalls ausserordentlich hoch waren die Nein-Anteile in Oberhallau (68,5 Prozent). Am ausgeglichensten waren die Stimmbürger von Hemishofen. Dort lag der Ja-Anteil bei 49,50 Prozent, der Unterschied zwischen den beiden Lagern betrug nur gerade sechs Stimmen. Das Interesse an der Vorlage hielt sich aber insgesamt in Grenzen: Während bei der Ecopop-Initiative über 32 600 Ja- oder Nein-Stimmen aus Schaffhausen eingingen, waren es bei der Reichensteuer knapp tausend weniger.

Munz: «Falscher Name»

Finanzdirektorin Rosmarie Widmer Gysel zeigte sich erfreut über den Ausgang der Abstimmung, die Initianten der AL wiederum sprachen von einem unerwartet hohen Ja-Stimmen-Anteil (siehe Kasten rechts). Auch SP-Schaffhausen-Präsidentin Martina Munz betonte auf Anfrage, sie sei «hoch erfreut über den hohen Anteil der Zustimmenden»: «Das ist fantastisch!», sagte sie. Sie führte das relativ knappe Scheitern der Vorlage unter anderem auf deren Namen zurück: «Hätte sie statt ‹Reichensteuer-Initiative› zum Beispiel ‹Angleichung an das Steuerniveau des Kantons Zürich› geheissen oder das Wort ‹Solidarität› im Titel getragen, wäre sie möglicherweise durchgekommen.» Der Chef der SVP Schaffhausen, Pentti Aellig, sagte: «Es war knapp. Wir mussten befürchten, dass wir die Leistungsträger des Kantons vertreiben würden.» Aellig nahm weiter auch Stellung zur Ablehnung der Gold-Initiative auf nationaler Ebene – anders als die Schweizer SVP hatte die Schaffhauser Sektion die Ja-Parole beschlossen gehabt: «Damit können wir leben. In der SVP gibt es eben ein breites Meinungsspektrum.» FDP-Schaffhausen-Präsident Harald Jenny meinte mit Blick auf das Nein zur Reichensteuer, aber auch auf das Ja zum Hooligan-Konkordat: «Das ist tipptopp so. Wir können zufrieden sein. Die FDP hat die Stimmung in der Bevölkerung richtig gespürt. Sie unterstützt mehrheitlich einen liberalen Kurs und ist für ein gerechtes Steuersystem: Diejenigen, die jetzt schon viel zahlen, sollen nicht noch mehr zahlen müssen.» Möglicherweise äussert sich das Schaffhauser Volk schon bald wieder an der Urne zu Finanzfragen: Die SP und Juso sammeln seit gestern Unterschriften für ein Referendum zum Budget 2015 (siehe Meldung auf Seite 15).

Am deutlichsten abgelehnt worden ist die Initiative in Stetten, wo besonders viele Gutverdienende leben.

«Niemand hat damit gerechnet, dass es derart knapp werden könnte», sagte Kantonsrat Florian Keller (AL, Schaffhausen). In den grössten Gemeinden des Kantons, in Schaffhausen und Neuhausen, sei eine Mehr- heit der Argumentation ihrer Initiative gefolgt. Nach wie vor gelte es, die Steuern zu erhöhen: «Wenn die Leute vor der Wahl stehen, entweder Leistungen abzubauen oder die Steuern zu erhöhen, werden sie lieber höhere Steuern wählen.» Von der Aussage Martina Munz’, dass die Initiative den falschen Namen getragen habe, hält Keller nichts: «Wir sind dafür, dass Reiche mehr Steuern zahlen und haben das Kind beim Namen genannt. Die Reichen werden auch in der Schweiz reicher und reicher und die Armen werden ärmer und ärmer, das könnte man ruhig für ein paar Jahre mal umkehren.» (zge)

Die Schaffhauser Finanzdirektorin Rosmarie Widmer Gysel hat die Ablehnung der Reichensteuer-Initiative gestern kurz nach der Bekanntgabe der Resultate spontan mit einem einzigen Wort kommentiert: «Freude!». Sie sei immer davon überzeugt gewesen, dass es ein Nein geben werde. Wäre die Initiative angenommen worden, ist sich Widmer Gysel sicher, hätte dies für den Kanton mittelfristig Folgen gehabt: «Im betroffenen Steuersegment hätten wir in fünf bis sechs Jahren mit sinkenden Erträgen rechnen müssen.» Das Nein zur Reichensteuer sei aber nicht gleichbedeutend mit einer generellen Ablehnung von höheren Steuern, sagte die Regierungsrätin mit Blick auf die vom Kantonsrat beschlossene Anhebung des Steuerfusses, «die Bevölkerung kann hier sehr wohl unterscheiden». (zge)

Kommentar

Im Kanton Schaffhausen gibt es keine einseitige Steuer- erhöhung für Leute mit hohen Einkommen. Das Volk hat eine Änderung des Steuergesetzes abgelehnt, wenn auch nur knapp. Dieser Entscheid ist zu begrüssen. Es wäre ein Fehler gewesen, aus- gerechnet die besten Steuerzahler noch stärker zu belasten. Kurz- fristig hätte dies zwar mehr Geld in die Staatskasse gespült, mittel- und langfristig aber wären die guten Steuerzahler möglicherweise in andere Kantone oder ins Ausland getrieben worden, und Schaffhausen wäre so trotz höherer Steuersätze finanziell schlechter dagestanden als heute. Dies übrigens selbst dann, wenn nur ein kleiner Teil der guten Kunden des Steueramts mit Sack und Pack über den Rhein gezogen wäre.

Auf die guten Steuerzahler ist Schaffhausen je länger, je mehr angewiesen. Dies nicht nur in den kommenden Jahren, in denen der Kanton mit dem Entlastungsprogramm 2014 und der tempo- rären Anhebung des Steuerfusses wieder in die schwarzen Zahlen finden soll, sondern vor allem auch in den Jahren danach. Die demografische Entwicklung wird dazu führen, dass Schaffhausen mit weiter steigenden Gesundheits- und Sozialausgaben konfrontiert sein wird. Fehlen die guten Steuerzahler, um diese Bürde zu schultern, dann kommen die unteren Einkommen an die Kasse, oder die Leistungen müssen eingeschränkt werden. Mit dem Nein zur Reichensteuer-Initiative sind die Steuerfragen aber noch nicht vom Tisch. Die knappe Mehrheit der Initiativgegner kann sich nicht einfach zurücklehnen, sondern muss anerkennen, dass eine sehr grosse Minderheit im Kanton offenbar nicht zufrieden ist mit dem heutigen System. Und diese Minderheit reicht tief ins bürgerliche Lager. Es hat wenig gefehlt und aus dem Nein wäre ein Ja geworden. Beide Seiten werden um Kompromisse aber nicht herumkommen. Wie kompromissfähig sie sind, werden sie möglicherweise schon sehr bald unter Beweis stellen können: Es ist davon auszugehen, dass das Budget 2015 dank dem SP-Juso-Referendum vors Volk kommt.

Originalbericht SN