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Kontroverse um städtische Schulleitungen

Streitgespräch: Beat Steinacher (pro) und Thomas Hauser (contra) diskutieren über die Einführung von Schulleitungen in der Stadt Schaffhausen

Schaffhauser Nachrichten, 18.02.2010 von Jan Hudec

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Am 7. März entscheiden die Stimmberechtigten, ob an den städtischen Schulen von Schaffhausen Schulleitungen eingeführt werden sollen. Beat Steinacher, Schulleiter an der Steigschule, und Thomas Hauser, ehemaliger Schulvorsteher der Sek Buchthalen, streiten über das Für und Wider.

Die Schule ist nicht mehr die gleiche wie vor 20 oder 30 Jahren. Wo liegen heute die grössten Probleme?

Beat Steinacher: Die Ansprüche der Gesellschaft und der Eltern an die Schule sind enorm gestiegen. Die Vorstellungen davon, wie Kinder erzogen werden sollen und was sie zu lernen haben, haben sich stark gewandelt. Die unterschiedlichen Vorstellungen in der Gesellschaft sind manchmal fast unüberbrückbar. Ich würde mir wünschen, dass wir wieder mehr Verbindlichkeiten und Verlässlichkeiten schaffen könnten. Geleitete Schulen wären der konkreteste Schritt, um in diese Richtung zu kommen. Thomas Hauser: Das Problem sind einerseits die gestiegenen Ansprüche der Eltern, es wird mehr verlangt und mehr hinterfragt. Andererseits ist es auch der Papierkrieg, der Jahr für Jahr zunimmt. Das löst man mit dieser Vorlage, die uns der Stadtrat hier serviert hat, überhaupt nicht, der Papierkrieg wird noch zunehmen.

Warum sollen Schul- leitungen dieses Pro-blem nicht lösen?

Hauser: Wenn Regierungsrätin Rosmarie Widmer Gysel, wie kürzlich in einem Interview mit den «Schaffhauser Nachrichten», sagt, «jeder Lehrer braucht einen Chef», dann hat sie damit an sich recht. Ein Chef ist gut. Wir haben zurzeit aber vier Chefs. Denn über jedem Lehrer stehen ein Schulinspektor, ein Ephorus, eine Stadtschulratspräsidentin, und neu eingeschlichen hat sich in den letzten Jahren auch noch ein Bereichsleiter Bildung, der Aufgaben übernimmt, die früher die Vorsteher erledigt haben. Und als fünfte Instanz soll jetzt in der Stadt Schaffhausen noch ein Schulleiter eingeführt werden, und das ohne rechtliche Grundlage im Kanton. Damit hätten wir dann fünf Chefs. Das ist eben der berühmte Wasserkopf, der zu gross ist. Steinacher: Ich bin ja Schulleiter und sehe mich natürlich nicht als Wasserkopf. Es ist sicher richtig, dass es viele Instanzen und Zuständigkeiten gibt, die nicht restlos geklärt sind. Genau hier könnten aber Schulleitungen Klarheit schaffen. Gerade für Eltern ist oft nicht klar, an wen sie sich mit welchem Problem wenden sollen. Ein Schulleiter könnte hier massive Vereinfachungen bringen. Zum Papierkrieg: Der administrative Aufwand kommt von oben. Ein Schulleiter kann hier im besten Fall ein bisschen dosieren und abwenden, aber ganz sicher produziert er nicht mehr Papier. Im Gegenteil: Ein Schulleiter kann den Papierkrieg vermindern.

Was könnten Schulleiter sonst noch bringen?

Steinacher: Wenn die Schulleitungen im ganzen Kanton Tatsache sind, dann haben wir eine Schulleiterkonferenz, die massiv mehr Gewicht hat gegenüber dem Erziehungsdepartement (ED). Damit könnten Dinge verhindert werden, wie wir sie gerade vor den Sportferien erlebt haben, als es aus dem ED plötzlich hiess, dass der Englischunterricht nun in einer Abteilungsstunde durchgeführt werden muss. Das zieht einen ganzen Rattenschwanz von Konsequenzen nach sich, und ich glaube nicht, dass sich das ED überlegt hat, was das alles bedeutet. Gegen solche Dinge könnte eine Schulleiterkonferenz Einsprache erheben. Hauser: Wenn wir Schulleitungen mit einem kantonalen Gesetz im Hintergrund haben, mit einer kantonalen Finanzierung, wie es mit der Teilrevision des Schulgesetzes im Kanton nun passieren soll, dann bin ich damit einverstanden, was Beat Steinacher sagt. Dann müssten wir aber alle anderen Ebenen ausräumen, die Ephoren, die Inspektoren und so weiter. Wir haben es jetzt aber mit einer Vorlage zu tun, die kantonal gar nicht zusammenstimmt. Wenn wir die Vorlage in der Stadt annehmen und in anderthalb Jahren die Teilrevision des Schulgesetzes kommt, kann es sein, dass wir in der Stadt alles wieder umkrempeln müssen. Die Stadt kann deswegen keine Vorreiterrolle übernehmen. Natürlich haben andere Gemeinden im Kanton Schaffhausen geleitete Schulen bereits eingeführt, aber das Problem ist, dass alle etwas anderes darunter verstehen. Ausserdem wissen wir nicht mal, wie wir die Schulleitungen zahlen sollen. Die Stadt hat beim Kanton immerhin noch eine Million Schulden. Wir sollten zuerst einmal eine Regelung haben, wie wir die Schulleitungen finanzieren. Es kann nicht sein, dass wir jedes Jahr 800 000 Franken reinbuttern, ohne zu wissen, was kommt. Steinacher: Du sprichst von einer Vorreiterrolle bei etwas, bei dem wir bald die Letzten sind in der Schweiz. Hauser: Wir sind der letzte Kanton, weil wir das kantonale Schulgesetz, das Schulleiter vorgesehen hätte, abgelehnt haben. Steinacher: Aber warum soll die Stadt die Schulleitungen nicht vor dem Kanton einführen können? Was können wir denn so grundlegend falsch machen, dass wir nachher alles umkrempeln müssen? Hauser: Nur schon die Finanzierung. Gibt es die Schülerpauschalen, und wie zahlt der Kanton die Schulleitungen? Das wissen wir nicht. Steinacher: Und was müssen wir deswegen ändern? Hauser: Ich will also schon wissen, ob der Kanton für die Finanzierung verantwortlich ist. Steinacher: An den Schulleitungen muss man deswegen nichts ändern, inhaltlich ändert sich nichts. Hauser: Doch. Die Pensen sind nicht klar, die Anstellungsbedingungen der Schulleiter sind nicht klar ... Steinacher: Das ist alles sicher wichtig, aber das ändert nichts an den Aufträgen oder den Zuständigkeiten der Schulleitung. Das ist also nicht das Problem. Hauser: Ich kann dir sagen, wo das Problem von jenen liegt, die die Vorlage geschrieben haben. Wir haben drei teilautonom geleitete Schulen (Tags) in der Stadt. Und hier läuft nun die Finanzierung aus. Ich habe schon 2001 im Grossen Stadtrat gesagt, dass wir mit den Schulversuchen aufhören sollten, weil uns die Finanzierung aus dem Ruder läuft. Und jetzt bringt man diese Vorlage, damit man diese drei Schulhäuser nicht wieder zu Vorsteherschulen machen muss. Das ist eine Rettungsvorlage für die längst ausgelaufenen Tags-Versuche.

Aber was soll aus den Tags-Schulen werden?

Hauser: Die Vorsteher leisten schon heute bedeutend mehr als früher. Verloren geht in den anderthalb Jahren, die wir auf die Teilrevision des kantonalen Schulgesetzes warten müssen, überhaupt nichts. Dafür lege ich meine Hand ins Feuer. Steinacher: Natürlich geht etwas verloren. Der Schaden an den drei Tags-Schulen ist noch nicht abschätzbar. Ausserdem haben wir die Einführung von Schulleitungen jetzt so lange vor uns hergeschoben, dass wir mittlerweile die Letzten sind in der Schweiz. Jetzt müssen wir diesen Schritt machen, der schon längst fällig gewesen wäre. Auch wenn gewisse Fragen wie die Anstellungsbedingungen noch nicht geklärt sind. Denn im Kern geht es um die pädagogische, personelle und organisatorische Führung. Und nicht primär um wer was bezahlt. Als Schulleiter und Lehrer bin ich daran interessiert, dass unsere Schule möglichst gut und klar funktioniert, sodass auch die Eltern eingebunden werden können.

Können die Eltern nicht auch an Vorsteherschulen mit einbezogen werden?

Steinacher: Wir hören sehr oft, dass der Miteinbezug der Eltern kleiner wird, je höher die Schulstufe ist, und das ist eigentlich schade. Da gäbe es mehr Potenzial, und viele Eltern wären daran interessiert. Hauser: Das hat doch mit den Schulleitungen nichts zu tun. Es gibt Elternräte in Schulen, die keine Schulleitungen haben. Das kann jede Schule selber regeln. So blöd sind die Vorsteher ja nun nicht, dass sie irgendwo einen Kurs machen müssten, um herauszufinden, wie man einen guten Elternabend gestaltet oder wie man einen Elternrat einführt. Und überhaupt sollte ein Elternrat nicht von der Schule geschaffen werden, sondern von den Eltern. Wenn das jemand will, so soll es von unten wachsen. Steinacher: Mit Blödsein hat das nichts zu tun. Aber mit den Möglichkeiten und den Kapazitäten, um solche Angebote überhaupt umsetzen zu können. Ein Schulleiter hat diese Kapazitäten, und damit kann den Eltern und den Kindern auch ein verlässlicher Qualitätsstandard an den Schulen geboten werden.

Kommen wir zum Schluss: Warum soll man der Vorlage zustimmen respektive sie ablehnen, und was passiert, wenn die Einführung von Schulleitungen an der Urne scheitert?

Steinacher: Annehmen muss man die Vorlage, weil Schulleitungen dringend nötig sind für die Schulen, um die heutigen und künftigen Anforderungen gut zu meistern. Wir warten schon seit über zehn Jahren darauf. Was die Stadt jetzt beschliesst, das hat eine wegweisende Funktion für den Kanton. Wenn wir Ja sagen, hat es eine beschleunigende Wirkung, und wenn wir Nein sagen, eine bremsende Wirkung. Gebremst haben wir schon genug. Und wenn wir die Einführung von Schulleitungen ablehnen, dann ist es auch fraglich, was mit den Schulvorstehern passiert. Da gibt es einige, die sagen, dass sie unter diesen Bedingungen nicht mehr weitermachen können und wollen. Denn viele Vorsteher sind von der Belastung her im roten Bereich. Bei den Tags-Schulen ist nicht klar, was passiert, wenn man sie auf Vorsteherschulen zurückstufen muss. Sicher ist, dass die ganze Arbeit, die wir in den Tags-Schulen geleistet haben, einen grossen Schaden nehmen würde. Hauser: Von mir aus gesehen, muss man die Vorlage ablehnen, weil die Stadt damit ein Sonderzügli fährt. Ausserdem hat das Volk das kantonale Schulgesetz abgelehnt. Nun steht eine Teilrevision ins Haus, die Schulleitungen vorsieht und in anderthalb Jahren realisiert werden könnte. Dann hat man eine klare Richtlinie, wie man die Schulleitungen einführt, wie man alles organisiert und wie man es finanziert. Das ist der richtige Weg. Sonst bahnen wir uns einen eigenen Weg, und das kostet uns sehr viel Geld. Denn bereits heute haben wir, wie erwähnt, vier Chefs in der Schule, und jetzt soll noch ein fünfter dazukommen. Das ist einfach zu viel. Das ist eine unnötige Aufblähung. Viel besser würde man die Kräfte jetzt auf die Teilrevision konzentrieren, dann lösen sich nachher alle Probleme praktisch von selbst. Und wenn die Schulleitungen in der Stadt nun abgelehnt werden, verliert Schaffhausen gar nichts. Zum einen sind die drei teilautonom geleiteten Schulen noch keine geleiteten Schulen, zum anderen sind drei Viertel der Schulen, Vorsteherschulen und da geht null Know-how verloren.

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