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«Klar, das hat mich geärgert»

Schaffhauser Nachrichten, 29.03.2018 von Zeno Geisseler

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«Ich hatte mir keine grossen Chancen ausgerechnet»: Rosmarie Widmer Gysel über ihre Wahl. Bild: Zeno Geisseler

Noch zwei Tage, dann übergibt Regierungsrätin Rosmarie Widmer Gysel (SVP) die Verantwortung für das Finanzdepartement ihrer Nachfolgerin. Im SN-Interview zieht sie Bilanz.

Regierungsrätin Rosmarie Widmer Gysel (SVP) wurde 2004 in die Kantonsregierung gewählt. Nun tritt sie ab: Am Samstag hat sie ihren letzten Arbeitstag. Zeit für einen Rückblick.

Frau Widmer Gysel, im SN-Archiv haben sich im Laufe der Jahrzehnte Hunderte von Beiträgen angesammelt, in denen Sie vorkommen. Welcher, denken Sie, war der erste Artikel überhaupt?

Ich erinnere mich an einen Vortrag zum Thema Gesamtverteidigung in den späten Achtzigerjahren. Ging es darum?

Nein, es war viel früher. Die erste Erwähnung war 1956. Bei den Geburten heisst es: «Widmer Rosmarie, des August W.-Gasser, Mechaniker, von Buch bei Affeltrangen, in Hallau». Wie stark hat Ihr Elternhaus Sie geprägt?

Ziemlich stark. Jedenfalls bis ich 17 Jahre alt wurde und wegen meiner Ausbildung von zu Hause auszog. Wir Kinder waren viel mehr mit der Mutter zusammen als mit dem Vater. Sie gab uns besonders viel mit, so auch den Hallauer Dialekt. Mein Vater kam ja aus Herisau, und er blieb sprachlich immer ein «Appezöller». Aber auch die Grosseltern beeinflussten uns sehr. Ich denke heute noch viel an meine Grossmutter in Herisau, zu ihr hatte ich einen ganz besonderen Draht.

Waren die Widmers eine politische Familie?

Nicht unbedingt. Aber klar, es gab Themen, die heftig besprochen wurden. Ich erinnere mich an die Einführung des Frauenstimmrechts 1971. Ich war damals 15 und interessierte mich stark für diese für uns Frauen so wichtige Abstimmung. Allgemein interessierte ich mich schon früh für die grossen Zusammenhänge, etwa die Geschichte der Schweiz.

Eigentlich, so lernen wir in einem Artikel aus dem Jahr 1989, wären Sie am liebsten Physiotherapeutin geworden, Sie fanden aber keinen Ausbildungsplatz. Schliesslich nahm Ihre Karriere andere Wege, bis hin zur Finanzchefin bei Farner und in die Kantonsregierung. Wären Sie auch als Physiotherapeutin so weit gekommen?

Wer weiss? Ich machte mir damals keine Gedanken über die Zukunft, ich wollte einfach einen spannenden Beruf ausüben und einen Beitrag für die Gesellschaft leisten. Das war es, was mich eigentlich das ganze berufliche Leben antrieb.

Im Kanton Schaffhausen wurde man bald auf die engagierte Hallauerin aufmerksam, auch politisch. Sie fanden Ihre Heimat in der SVP. Wieso nicht in der FDP?

Meine bürgerliche Gesinnung hatte sich mit dreissig gefestigt. Damals wurde ich für den Grossen Rat angefragt. Im Klettgau pflegte ich gute Beziehungen zu SVP-Leuten wie Hans Grüninger, Willy Gysel oder Kurt Waldvogel. Sie waren Vorbilder. Bei der FDP hatte ich den Eindruck, dass man die auf dem Tennisplatz trifft, und ich spiele kein Tennis.

Sie traten in der SVP stark in Erscheinung, kamen in Hallau in den Gemeinderat, übernahmen die Führung der Kantonalpartei. 2004 wurden Sie in die Kantonsregierung gewählt. War das einfach ein logischer nächster Schritt?

Nein, überhaupt nicht. Die SVP hielt ja lange nur einen Sitz im Regierungsrat, und bei den Wahlen 2004 wollte man den zweiten Sitz holen. Meine Wahl war natürlich sehr erfreulich, aber sie war auch unerwartet. Ich hatte mir im Vorfeld jedenfalls keine grossen Chancen ausgerechnet.

Sie und Ursula Hafner-Wipf wurden damals als erste Frauen überhaupt in die Regierung gewählt.

Ja, ich war immer wieder mal die erste Frau, auch im Gemeinderat von Hallau. Das war zwar schön, aber dieses Label der «ersten Frau» stand für mich nie im Vordergrund. Meine Überzeugung war immer, dass die beste Person ungeachtet des Geschlechts gewählt werden soll, wobei ich natürlich zugebe, dass es mich freut, dass mit Cornelia Stamm Hurter eine Frau meine Nachfolge in der Regierung antritt.

Vor Ihrer Wahl arbeiteten Sie zuletzt als Finanzchefin, in der Regierung wurde Ihnen aber ein ganz anderes Gebiet zugewiesen, die Bildung. War das ein Dämpfer?

Eigentlich ging ich im Wahlkampf tatsächlich davon aus, dass ich die Finanzen übernehmen würde, es ging ja um den Ersatz des damaligen Finanzdirektors Hermann Keller. Doch dann begann es sich abzuzeichnen, dass Heinz Albicker zu den Finanzen wechseln und ich die Bildung übernehmen würde. Ehrlich gesagt, hatte ich vor diesem Amt grossen Respekt, ich verstand anfänglich nicht viel vom Thema. Doch diese gut fünf Jahre im ED waren eine sehr gute Zeit. Ich denke, wir konnten viel bewegen, auch wenn ein grosses Projekt, das neue Schulgesetz, in der Volksabstimmung abgelehnt wurde.

2010 wechselten Sie zu den Finanzen, im gleichen Jahr begannen finanziell schwierige Zeiten für den Kanton. Haben Sie sich da manchmal ins ED zurückgewünscht?

Nein. Mein Mann sagt immer, ich hätte ein Naturell, um mit unangenehmen Situationen umzugehen und das Beste daraus zu machen. Wir waren dann insgesamt schliesslich auch recht gut unterwegs.

Die Regierung ist eine Einheit. Dies wurde in der Öffentlichkeit und im Parlament nicht unbedingt immer so wahrgenommen. Sie waren die böse Finanzdirektorin, welche sparen wollte, Leistungen kürzte und mit Steuersenkungen geizte.

Klar, das hat mich geärgert. Die Vorschläge für Entlastungsmassnahmen kamen ja aus den anderen Departementen, und wir traten als Gesamtregierung auf. Ich konnte damals nichts dafür, dass wir in die roten Zahlen rutschten, und ich kann nichts dafür, dass der Kanton nun wieder perfekte Zahlen vorweisen kann.

Mit Ihrer Partei, der SVP, gab es deutliche und öffentlich ausgetragene Konflikte. Mitglieder Ihrer eigenen Partei haben Sie im Parlament immer wieder massiv angegriffen. Fühlen Sie sich in der SVP eigentlich noch zu Hause?

Nein. Aber ich war auch nicht nur wegen meiner Partei in der Regierung. Wir Regierungsräte werden von 12 000 bis 13 000 Stimmbürgern gewählt, und das sind zum Grossteil keine SVPler. Das gibt einen grossen Rückhalt.

Was ist denn Ihr Parteiverständnis?

Ich sehe die SVP als eine staatstragende Partei. Das heisst nicht, dass man alles, was vom Staat kommt, gut finden muss, aber dass man konstruktiv-kritische Beiträge leistet. Und dies ist schwieriger geworden. Heute bin ich überzeugt, dass viele SVP-Wähler und auch Parteimitglieder so denken wie ich. Ich habe mir ein paarmal einen Parteiaustritt überlegt. Aber das wäre klein beigeben gewesen, und das wollte ich nicht.

Andere ehemalige Regierungsräte sind offen für Mandate. Sie auch?

Ich habe in meinem ganzen Leben viel gearbeitet. Jetzt will ich keine neuen Pflichten mehr, sondern nur noch tun, was mir Spass macht. Ich suche nichts, aber wenn etwas Interessantes auftaucht, warum nicht? Klar ist aber vor allem, dass ich die nächsten Jahre mit meinem Mann und meinen Enkeln geniessen möchte und Zeit in den Reben verbringen werde. Darauf freue ich mich.

Frau Regierungsrätin, besten Dank für dieses Gespräch.

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