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Kein tieferer Steuerfuss

Schaffhauser Nachrichten, 03.04.2013 von Zeno Geisseler

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Zwei Drittel der Stimmenden haben die «Steuern runter»-Initiative der Jungfreisinnigen abgelehnt. Weitere Steuersenkungspläne sind damit aber nicht vom Tisch.

Der Kanton Schaffhausen wird seinen Steuerfuss nicht senken. Das Stimmvolk hat der «Steuern runter»-Initiative der Jungfreisinnigen eine klare Abfuhr erteilt. 67,7 Prozent der Stimmenden sprachen sich gegen die Vorlage aus, nur 32,3 Prozent waren dafür. Die Initiative wollte erreichen, dass der kantonale Steuerfuss innert fünf Jahren um zehn Prozentpunkte sinkt, dies hätte bis 2017 Mindereinnahmen von jährlich rund 27 Millionen Franken zur Folge gehabt. Keine einzige der 26 Schaffhauser Gemeinden wollte der Vorlage zustimmen. Am meisten Ja-Stimmen holte die Initiative in Neuhausen, wo 40,69 Prozent dafür waren. Am deutlichsten abgelehnt wurde das Begehren in Beg-gingen, dort sagten über 80 Prozent der Stimmenden Nein.

Dass es für die Initianten schwierig sein würde, eine Mehrheit zu holen, hatte sich im Vorfeld abgezeichnet gehabt. Der Kantonsrat hatte das Begehren mit 43 zu 4 Stimmen zur Ablehnung empfohlen, und ausser den Jungfreisinnigen hatten nur die FDP und die EDU die Ja-Parole beschlossen.

«Ein Ja wäre ein GAU gewesen»

«Ich bin sehr froh, dass das Resultat so deutlich ausgefallen ist», sagte Regierungspräsidentin und Finanz-direktorin Rosmarie Widmer Gysel (SVP). «Die Regierung hat klar gesagt, dass die Initiative zu viel wollte und zum falschen Zeitpunkt kam. Ein Ja wäre ein GAU gewesen.» Denn die kommenden Jahre seien auch so schon sehr anspruchsvoll, bemerkte Widmer Gysel mit Blick auf die roten Zahlen in der Kantonsrechnung und das Entlastungsprogramm ESH3. Bis 2016 soll der Kanton wieder einen ausgeglichenen Haushalt erreichen. Christian Mundt, Co-Präsident der Jungfreisinnigen Schaffhausen, welche die Initiative lanciert hatten, war über das Resultat nicht erfreut: «Ich bin enttäuscht, aber es war keine Überraschung. Immer mehr Leute sind vom Staat abhängig. Diese haben natürlich kein Interesse, die Staatsausgaben zu bremsen.» Die Regierung habe gute Arbeit mit einer Angstkampagne geleistet, zudem sei nicht nur die Linke geschlossen gegen die Initiative gewesen, sondern auch die SVP, die stärkste politische Kraft des Kantons. «Die SVP hat tiefere Steuern sogar in ihrem Parteiprogramm», sagte Mundt. «Aber hier haben sie sich hinter ihre Regierungsrätin gestellt.» Unter diesen Aspekten, und auch angesichts dessen, dass die Jungfreisinnigen eine kleine Partei seien, sei ein Ja-Stimmen-Anteil von über 30 Prozent durchaus respektabel. «Damit müssen wir uns nicht verstecken», sagte Mundt. «Wir haben sechsmal mehr Stimmen geholt als unsern Wähleranteil.» Auch wenn pauschale Steuersenkungen offensichtlich keine Mehrheiten fänden, sei das Thema nicht erledigt. Wie genau die Jungpartei tiefere Steuern wieder aufs Tapet bringen will, etwa im Kantonsrat oder mit einem neuen Volksbegehren, liess Mundt offen. Erleichtert über das Resultat waren die Mitglieder der beiden Gegenkomitees. «Ich hoffte sehr, dass es so kommen würde, aber ich habe es nicht so deutlich erwartet», sagte ÖBS-Präsidentin und Kantonsrätin Iren Eichenberger. «Ich bin sehr froh, dass die Bevölkerung eingesehen hat, dass man dort, wo es nichts mehr zu holen gibt, nicht einfach noch mehr rausquetschen kann.» Das Volk habe ein natürliches Gespür und die Vernunft, das Mass des Möglichen zu erkennen. Nachdem der Kanton bereits ESH3 lanciert habe, sei einfach nicht noch mehr drin gelegen. Die ÖBS hofft jetzt sogar, dass der Trend in die Gegenrichtung geht, also in Richtung höhere Steuern. Davon will man beim zweiten, bürgerlichen Komitee aber nichts wissen: «Wir haben eine klare Aussage: Jetzt will das Volk keine Senkung des Steuerfusses», sagte CVP-Präsident und Kantonsrat Christian Di Ronco. «Aber wenn es wieder Spielraum gibt, dann müssen wir weitere Steuersenkungen ganz sicher anschauen.» Dies sei ja auch in den Legislaturzielen der Regierung so vorgesehen. «Unter anderem gibt es bei der Vermögenssteuer Handlungsbedarf», sagte Di Ronco. In den kommenden Monaten dürfte der Kanton Schaffhausen noch weitere Male über die Staatsfinanzen abstimmen. Einzelne Punkte von ESH3 werden mit grosser Wahrscheinlichkeit vors Volk kommen, zudem wird die SVP diesen Frühling eine Initiative lancieren, welche das Wachstum der Ausgaben bremsen will.

Kommentar

Die Absicht der Jungfreisinnigen war lobenswert: Ihre «Steuern runter»-Initiative sollte den kantonalen Steuersatz um zehn Prozentpunkte senken. So sollte der Kanton dazu gezwungen werden, seine Ausgaben einzuschränken, was wiederum nicht nur alle Steuerzahler erfreut, sondern auch alle jene Seelen, welche einen ständig weiter wachsenden Staat mit grosser Sorge betrachten.

Doch eine deutliche Mehrheit der Stimmberechtigten, 67,7 Prozent und alle 26 Gemeinden des Kantons, wollte von diesen Plänen nichts wissen. Ein noch deutlicheres Verdikt haben die Schaffhauser Stimmbürger gestern nur zur Abzocker-Initiative gefällt, die im Kanton mit mehr als drei Viertel Ja-Stimmen angenommen wurde. Im Prinzip hat natürlich kaum jemand etwas gegen Steuersenkungen: Weniger Geld für den Staat bedeutet mehr Geld für mich. Aber abgesehen davon, dass ein tieferer Steuersatz für viele Stimmbürger geringere finanzielle Auswirkungen hat, als wenn ihr Mobilfunkanbieter seinen Minutenpreis senkt, sind Steuersenkungen erstens nur dann sinnvoll, wenn der Staat sie sich tatsächlich leisten kann und wenn sie, zweitens, dort ansetzen, wo die Not, sprich: die Diskrepanz zur Konkurrenz im Steuerwettbewerb, am grössten ist. Die «Steuern runter»-Initiative konnte keines dieser Kriterien erfüllen. Der Staat ist mit dem Entlastungsprogramm ESH3 schon sehr stark damit beschäftigt, seine Ausgaben einzudämmen und aus den roten Zahlen zu kommen. Da sind pauschale Steuersenkungen so willkommen wie Eistee für einen Erfrierenden. Wenn es weitere Steuersenkungen gibt, was zu hoffen ist, dann mit Vorteil dort, wo sie am notwendigsten sind, bei der Vermögenssteuer etwa oder bei den Unternehmen. Zurücklehnen kann sich die Regierung nach gestern nicht. Gegen ESH3 regt sich breite Opposition, der Streit mit der EU über die Besteuerung der für Schaffhausen so wichtigen Spezialgesellschaften ist noch nicht erledigt, und die wirtschaftliche Situation in Europa ist überhaupt nicht rosig. Schwarze Zahlen bis 2016 sind da trotz des Neins zu «Steuern runter» alles andere als garantiert.

Originalbericht SN