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Jubeln und jammern

Schaffhauser Nachrichten, 16.04.2016 von Zeno Geisseler

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Betrübte Gesichter auf der einen Seite, Jubel und Gratulationen auf der anderen: So wird sich die Szene am 28. August im Regierungsratssaal in Schaffhausen präsentieren. Am frühen Nachmittag wird die Staatskanzlei bekannt geben, welche Kandidatinnen und Kandidaten die Wahl in die Kantonsregierung gewonnen haben. Drei Bisherige treten nochmals an: Erziehungsdirektor Christian Amsler (FDP), Volkswirtschaftsdirektor Ernst Landolt (SVP) und Finanz­direktorin Rosmarie Widmer Gysel (SVP). Zwei Sitze, je einer von der FDP und der SP, müssen neu besetzt ­werden.

Wer jubeln und wer jammern wird, ist heute, gut vier Monate vor dem grossen Wahltag, noch nicht klar. Bis Ende August fliesst noch viel Wasser den Rheinfall hinunter. Doch seit die FDP als letzte der Regierungsparteien am vergangenen Mittwoch ihre Kandidaten gekürt hat, sind einige vorsichtige Prognosen durchaus möglich.

Kaum Abwahl von Bisherigen, Links-Grün holt sicher einen Sitz

Prognose 1: Amsler, Landolt und Widmer Gysel dürften wiedergewählt werden, die bürgerliche Mehrheit bleibt somit bestehen. Warum? Sie können erstens auf den Bisherigen-­Bonus zählen und zweitens auf einen Puffer aus zwei freien Sitzen. Diese beiden freien Sitze werden an den best- und an den zweitbestgewählten Herausforderer gehen, ohne dass die Bisherigen dadurch gefährdet werden. Nur wenn auch noch eine dritte Person aus dem Kreis der Anwärter mehr Stimmen macht als jemand der Bis­herigen, kommt es zu einer Abwahl. Dies ist nicht sehr wahrscheinlich.

Prognose 2: Links-Grün wird garantiert einen Sitz machen. Dies ist simple Arithmetik: In der Regierung gibt es fünf Sitze, SVP und FDP treten mit je zwei Kandidaten an, und weitere bürgerliche Kandidierende sind nicht in Sicht. Somit bleibt ein Sitz übrig, und dieser wird im Kreis der SP, der AL und der ÖBS vergeben werden – voraussichtlich geht er an die SP als stärkste Kraft im linksgrünen Spek­trum. Selbst wenn noch eine weitere bürgerliche Gruppe, etwa die EDU, eine Kandidatur beschliessen sollte, hätte dies auf das Wahlresultat kaum einen Einfluss: Eine grosse linke Partei wie die SP kann mehr Leute mobilisieren als eine Kleinpartei.

Die SVP als Retterin des Frauenanteils in der Regierung

Prognose 3: Die neue Regierung wird männlicher sein als die alte. Mit Ursula Hafner-Wipf verlässt eine Frau den Regierungsrat, aber ihre Partei, die SP, hat zwei Männer nominiert. Zwar tritt die AL mit zwei Frauen an, den Kantonsrätinnen Linda De ­Ventura und Susi Stühlinger, doch deren Wahlchancen sind gering. Das primäre Ziel der AL ist es denn auch, bei den wenige Wochen später stattfindenden Kantonsratswahlen wieder fünf Sitze zu holen und so ihre Fraktionsstärke zu wahren. Rosmarie Widmer Gysel dürfte also künftig die einzige Frau in der Regierung sein.

Die grösste offene Frage: Rettet Kessler den zweiten FDP-Sitz?

Sind die Wahlen somit eigentlich schon gelaufen, bevor sie angefangen haben? Nein. Mehrere Fragen sind noch nicht beantwortet, mehrere Unsicherheiten bleiben: Wird es noch weitere Kandidaturen geben? Kommt es zu einem zweiten Wahlgang?

Die grösste Frage überhaupt aber ist, ob es der FDP gelingen wird, beide Sitze zu verteidigen. In früheren Jahren hat die FDP ihre Sitze immer bei Ersatzwahlen neu vergeben, was ein­facher ist. Sowohl Reto Dubach (2007) als auch Christian Amsler (2009) kamen so ins Amt. Dass ein FDP-Sitz nun im Rahmen einer Gesamterneuerungswahl zur Disposition steht, ist ein Novum – und ein Risiko. Wie gross dieses ist, weiss kaum eine Partei besser als die FDP: Der Schaffhauser Freisinn hat bei den Gesamterneuerungs­wahlen auf Bundesebene sowohl seinen Nationalratssitz (an die SVP mit Thomas ­Hurter) als auch sein Ständerats­mandat (an Thomas Minder) verloren.

Martin Kessler, der den FDP-Sitz des nicht mehr antretenden Reto Dubach sichern soll, dürfte vor allem den Atem der SP im Nacken spüren. Er muss sich entweder gegen Walter ­Vogelsanger oder gegen Kurt Zubler durchsetzen. Alle drei haben bei den letzten nationalen Wahlen kandidiert: Vogelsanger holte als Ständeratskandidat nicht ganz 8000 Stimmen, Zubler als Nationalratskandidat gut 5800 und Kessler, der ebenfalls für den Nationalrat kandidierte, knapp 4400. Dieses Stimmenverhältnis zu drehen, wird keine einfache Aufgabe sein.

Die drei bisherigen Regierungsräte sind so gut wie gewählt. Der zweite FDP-Sitz aber könnte ins Wackeln kommen.