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Hinter Fassaden des Daseins geblickt

Schaffhauser Nachrichten, 21.01.2008 von Judith Klingenberg

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Vor übervollen Rängen wurde gestern Markus Werner in feierlichem Rahmen von Stadt und Kanton Schaffhausen für sein herausragendes literarisches Schaffen geehrt.

Gelegenheiten, dem erfolgreichen Schaffhauser Autor Markus Werner persönlich zu begegnen, sind rar. Er scheut öffentliche Auftritte wie der Teufel das Weihwasser. Doch gestern Sonntag in der Rathauslaube konnte er sich dem Bad in der Menge nicht entziehen. Rund 350 Menschen drängten in den Saal, um an der Feier teilzunehmen, die der Kanton und die Stadt Schaffhausen für ihn ausrichteten. Anlass für die späte heimische Ehrung des vielfach Ausgezeichneten war das 20-Jahr-Jubiläum des Vereins Schaffhauser Buchwoche, wie Vereinspräsident Martin Hongler eingangs den Gästen erklärte, darunter als Vertreter der Regierung Rosmarie Widmer Gysel, Ursula Hafner-Wipf und Reto Dubach und als Vertreter des Stadtrats Präsident Marcel Wenger, Veronika Heller und Thomas Feurer.

Texte zum Klingen gebracht

Der mit 10 000 Franken dotierte Ehrenpreis wurde eigens für Markus Werner geschaffen, aus dem Wunsch heraus, ihn für sein ausserordentliches und international geschätztes literarisches Werk zu ehren. Einen Einblick in die insgesamt sieben Werke, entstanden in über 20 Jahren und in 14 Sprachen übersetzt, gaben die Jung-Poeten Lara Stoll und der Preisträger des Salzburger Stiers 2006, Gabriel Vetter. Sie brachten, wie der 63-jährige Schriftsteller anerkennend bemerkte, seine «Texte zum Klingen» - und das Publikum zum Schmunzeln.

Mit Scharfsicht und Scharfsinn

Für die Lesung, stimmungsvoll umrahmt von Johannes Schütt an der Bassklarinette, wurden Auszüge aus allen sieben Werken berücksichtigt - vom Erstlingswerk «Zündels Abgang» aus dem Jahre 1984 bis zum bisher letzten «Am Hang», erschienen 2004. Mit einer launigen Tour d`horizon durch Werners Werk begann sodann der mit dem Schriftsteller befreundete Philologe und ehemalige Lehrerkollege Klaus Unger seine Laudatio. Mit wenigen Worten und Zitaten gelang es ihm, die jeweiligen Protagonisten treffend zu beschreiben.
Eindringlich schilderte Unger auch seine erste Begegnung mit Werners literarischem Schaffen. Er durfte den Erstroman seines Freundes als Manuskript lesen und war «hingerissen und, obwohl mir seine scharfsichtige und -sinnige Menschen- und Gesellschaftskenntnis vertraut war, im höchsten Masse überrascht gerade von seiner Fähigkeit, Wahrnehmung und Wissen in lebensvolle Literatur zu verwandeln». Er erfinde und forme seine Romanmenschen und ihre Geschichten mit ausserordentlicher Imaginationskraft, einfallsreicher Fantasie und genauestem Einfühlungsvermögen, so dass sie menschliche Wirklichkeiten umfänglicher und erkennbarer zu veranschaulichen scheinen, als real existierende Menschen es tun.

Besonderer Sinn für Humor

Durch seine kompromisslose Betrachtung und Reflexion der Zu- und Umstände gelange der Autor hinter die Fassaden menschlichen Da- und Zusammenseins, so Unger. Dabei gelinge es ihm, die pathosbeschwerten Fundamentalthemen wie Geburt, Tod, Liebe und Lebenssinn einem nahezubringen, indem er sie in vertrauter Alltäglichkeit und gewöhnlicher Lebenswelt abhandle. Weiter würdigte der Redner die «beherrschte und unsentimentale Formulierungs- und Darstellungskunst» des Autors, «der mit ausserordentlicher Präzision und Klarheit die schonungslose Diagnose, ja auch das Unbegreifliche in Worte und Sätze zu fassen vermag». Durch leise Melancholie mildere er die Schwere der Daseinswahrheit und mit seinem besonderen Sinn für Humor spüre er im tragischen Geschehen die Komik auf. Und durch Wortklang und Satzmelodie versetze er den schleppenden und strauchelnden Lebensgang in poetischen Fluss. Bevor Regierungsrätin Rosmarie Widmer Gysel und der städtische Kulturreferent Thomas Feurer Markus Werner den Ehrenpreis übergaben, schilderten sie ihre Beziehung zu ihm und seinem Werk. «Ich habe ihn nie persönlich kennengelernt, aber ich habe das Gefühl, ihn durch seine Figuren seit langem zu kennen», sagte die Regierungsrätin. Und Thomas Feurer verriet, er habe durch die Lektüre viel über sich selber gelernt.

Ähnlich der Freude über Parkplatz

Schliesslich begab sich der Geehrte ans Rednerpult, wo er zunächst humorvoll klarstellte, dass er zu Unrecht häufig als «nur ein Thurgauer» betitelt werde. Ausgehend von beiden Urgrossvätern wies er nach, dass er «viel mehr Schaffhauser nicht sein» könne. Er selber sei zwar im Thurgau geboren, aber in Thayngen aufgewachsen. Das einheimische Preisgeld gehe somit nicht an einen Auswärtigen. Seine Freude über die Ehrung und die Wertschätzung bezeichnete er als «Freude der Ankunft; ähnlich jener Freude, die wir fühlen, wenn wir einen Parkplatz finden - im Wissen, wie beschränkt die Parkdauer ist».

Quelle