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Fiskalische Fiktion als Weg zum Wachstum

Die Diskussion der einfachen Gleichung «Weniger Steuern gleich mehr Wachstum» ist komplex - aber nötig.

Schaffhauser Nachrichten, 01.11.2005 von Philipp Landmark

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Wenn etwas leuchten soll im Vaterland, dann soll man Öl ins Feuer giessen. Die zuletzt auch an den «Wirtschaftsimpulsen Schaffhausen» im September diskutierte Erkenntnis, dass das Schweizer Steuersystem dringend reformbedürftig ist, liess die Stiftung Avenir Suisse zur Tat schreiten: Sie wollte, wie Avenir-Suisse-Direktor Thomas Held als Gastgeber gestern Abend im «Rüden» darlegte, ein neues Steuermodell präsentieren, das «kein Vorschlag für die unmittelbare politische Realisierung» sein soll.
Vor grossem Publikum (darunter auch die Zürcher Regierungsrätin Rita Fuhrer) skizzierte der Autor der Studie, Christian Keuschnigg, im Schnellzugstempo sein Modell einer Schweizerischen Dualen Einkommenssteuer, das mit der Zeit starke Wachstumsimpulse auslösen soll. Das Modell umfasst eine progressive Lohnsteuer wie heute, eine proportionale Gewinnsteuer (von 23 Prozent), die Abzugsfähigkeit von «Normalzinsen» auf eingesetztem Eigenkapital (Eigen- und Fremdkapital in einem Unternehmen sollen gleich behandelt werden) und eine proportionale - niedrige - Teilhabersteuer auf alle Kapitalerträge einer Person (um 18 Prozent). Um dieses Modell zu finanzieren, empfiehlt Keuschnigg, entweder die Transferkosten (von Landwirtschafts-Subventionen bis Sozialausgaben) drastisch zu senken oder die Mehrwertsteuer entsprechend anzuheben.
Impuls für Wachstum
Keuschniggs Idealvorstellungen lösten die erwünschte Unruhe aus, Moderator Norbert Neininger musste die Podiumsdiskussion nicht sonderlich anheizen. Für Rosmarie Widmer Gysel überwiegen in dem Denkmodell die positiven Aspekte, während Stefan Kuhn warnte, die Wachstumsimpulse von Steuerreformen allein zu überschätzen. Gerold Bührer verwies auf etliche Beispiele anderer Länder, wonach Steuersenkungen durchaus Wachstums- und Beschäftigungseffekte haben. Deshalb gelte es, bei der Unternehmenssteuerrefom Ernst zu machen: «Ich will nicht, dass die Österreicher uns nach dem Skifahren nun auch in der Steuerpolitik überholen.» Hans-Jürg Fehr konnte dagegen - wenig überraschend - diesem Modell, das einer «Umverteilung von unten nach oben» gleichkomme, nichts abgewinnen: «Keuschnigg lebt nicht auf dem gleichen Stern wie ich.» Fehr bestritt den kausalen Zusammenhang von Steuerquoten und Wachstum: Die Schweiz habe die tiefste Fiskalquote und trotzdem das tiefste Wachstum. Das einzige Wachstum nach Keuschniggs Methode wäre das Wachstum von Sozialfällen. Giorgio Behr schloss aus Fehrs Votum, dass die Mathematik-Kompetenz von Historikern verbessert werden müsste, und das Publikum, dass die technisch-trockene Materie durchaus Stoff für einen munteren Abend bieten würde. Behr erklärte die Bedeutung der Aktivitäten von Unternehmen schlicht und einfach: «Wenn man das Geld drin lässt, entsteht Wachstum.» Da bot Fehr sogar ein bisschen die Hand: Die Unternehmenssteuern senken und die Kapitalerträge höher besteuern - darüber könne man mit den Sozialdemokraten reden.
Einfach muss es sein
Die Bedeutung der Steuern für die Standortwahl von Unternehmen ist nach Gerold Bührer nicht allein massgebend, «aber für die Schweiz besonders wichtig». Deshalb müssten Doppelbelastungen weg oder etwa der Emissionsstempel eliminiert werden. Die Milderung der Doppelbelastung wird laut Stefan Kuhn kommen, andere wesentliche Reformen liessen sich aber nicht so bald realisieren. Rosmarie Widmer Gysel glaubt hingegen, dass ein neues Steuersystem auch politische Chancen hätte, wenn es einfach und verständlich wäre.

Avenir Suisse
Die Stiftung Avenir Suisse versteht sich als Think-Tank für gesellschaftliche und wirtschaftspolitische Fragen. Avenir Suisse will frühzeitig relevante Themen definieren, zukünftigen Handlungsbedarf eruieren, aber auch Lösungsvorschläge aufzeigen und Denkanstösse vermitteln. Die Institution wurde 1999 von 14 internationalen Firmen gegründet.
Christian Keuschnigg ist Professor an der Universität St. Gallen (Leiter der Abteilung Finanzwissenschaft) und Autor der Studie «Eine Steuerreform für mehr Wachstum in der Schweiz».
Rosmarie Widmer Gysel (SVP) ist neue Regierungsrätin des Kantons Schaffhausen.
Gerold Bührer (FDP) ist Schaffhauser Nationalrat.
Hans-Jürg Fehr (SP) ist Schaffhauser Nationalrat und Präsident der SP Schweiz.
Stefan Kuhn ist Leiter Steuern bei Ernst & Young in Zürich.

Quelle