Accesskeys

Unternavigation

Kontakt

Haben Sie Fragen oder Anregungen? Kontaktieren Sie mich!

Ein Thaynger steigt auf den Bock

Schaffhauser Nachrichten, 15.01.2013 von Zeno Geisseler

sn.gif

Höchster Schaffhauser: Richard Bührer aus Thayngen ist Präsident des Kantonsrats. Rosmarie Widmer Gysel ist zum zweiten Mal zur Regierungspräsidentin gewählt worden. Bild Selwyn Hoffmann

Richard Bührer ist neuer Kantonsratspräsident, Rosmarie Widmer Gysel neue Regierungspräsidentin. Beide sind mit Glanzresultaten gewählt worden.

Wie der erste Schultag nach den grossen Ferien kam sie einem vor, die gestrige erste Zusammenkunft des neu gewählten Parlaments: da ein grosses Hallo unter den Alteingesessenen, dort ein paar neue Gesichter, die sich erst noch einleben müssen. Diese Neuen mussten gestern ihren Platz im Kantonsratssaal finden, im Laufe der Legislatur werden sie das Gleiche auch im Machtgefüge ihrer Fraktion tun müssen. Rund ein Viertel der Sitze war bei den Wahlen im letzten September neu vergeben worden.

Weil das neue Parlament noch keinen Präsidenten hatte, eröffnete das älteste Ratsmitglied, Peter Gloor (SP, Neuhausen), die konstituierende Sitzung. «Der Kanton liegt uns am Herzen», sagte er. «Aber wir sind nur ein Prozent der Schweiz. Wir sind kleiner als einige Zürcher Bezirke. Aber für uns ist der Kanton unsere Welt. Auch wenn wir wissen, dass es noch eine Welt ausserhalb der Kantonsgrenzen gibt.» Er rief die Parlamentsmitglieder dazu auf, bei ihren Entscheiden Weitsicht walten zu lassen: «Wir werden Entscheide mit langfristigen Folgen treffen, die nur die Jungen in diesem Saal noch erleben werden.» Gloor leitete anschliessend die Inpflichtnahme des Rates. Dazu mussten sich alle Anwesenden erheben. Gloor sprach: «Die Mitglieder des Kantonsrates geloben, die Ehre, die Wohlfahrt und den Nutzen des Kantons Schaffhausen zu fördern und ihr Amt der Verfassung und den Gesetzen gemäss nach bestem Wissen und Gewissen zu führen». Die Kantonsrätinnen und Kantonsräte antworteten: «Ich gelobe es».

Präsidentenwahl – reine Formsache

Dann kam es zur ersten Wahl, derjenigen von Rosmarie Widmer Gysel zur Regierungspräsidentin. Wie bei fast allen Wahlgängen handelte es sich um eine reine Formsache – es gab keine weiteren Kandidierenden, das Resultat stand von vorneherein fest. Offen war nur, mit wie vielen Stimmen die Personen ins Amt gewählt werden. Widmer Gysel erhielt 53 von 55 Stimmen, ein Glanzresultat, das mit Applaus bedacht wurde. Vor vier Jahren, als sie zum ersten Mal Regierungspräsidentin wurde, hatte sie 52 Stimmen erhalten. «Ich freue mich auf die Herausforderungen des nächsten Jahres», sagte sie. Dann war die Wahl des Kantonsratspräsidenten dran. Auch dies eine reine Formsache, denn die Fraktionen schicken ihre Leute schon früh auf die Präsidentenlaufbahn. Gesetzt war Richard Bührer (SP, Thayngen), und er erhielt 53 von 54 gültigen Stimmen. Martin Kessler (FDP, Trasadingen) wurde erster Vizepräsident (und damit designierter Präsident für das Jahr 2014) mit 55 von 57 Stimmen. Peter Scheck (SVP, Schaffhausen) ist zweiter Vizepräsident mit 45 von 50 gültigen Stimmen. Anschliessend wurden die Stimmenzähler und das Ratsbüro bestimmt (eine Übersicht über alle Wahlen finden Sie auf der folgenden Seite).Der neue Kantonsratspräsident bedankte sich für die ehrenvolle Wahl. «Ich bin sehr erfreut über das gute Resultat», sagte Richard Bührer. Er versprach, den Kanton würdig nach aussen zu vertreten. Bührer wies darauf hin, dass sich die politische Weltlage in den letzten Jahren stark verändert habe. In Erdteilen wie Asien hätten sich Länder wirtschaftlich stark entwickelt, doch die Menschenrechtssituation habe mit dem Aufschwung nicht Schritt gehalten. Bührer rief dazu auf, «aus diesen Ländern nur Produkte aus fairem Handel zu kaufen». In Europa wiederum habe sich die Lage stark verschlechtert. Ganze Regierungen seien «von ein paar Tausend Finanzhändlern und den Ratingagenturen als Geiseln genommen worden». Um ihre Banken zu retten, hätten die wirtschaftsstarken Staaten in der EU die stark verschuldeten Staaten im Süden Europas zu drastischen Sparmassnahmen und Steuererhöhungen zulasten der kleinen Leute und Rentner gezwungen. «Die Schweiz steht sehr gut da», sagte Bührer weiter, «doch auch wir haben die Vorboten einer sich verschlechternden Wirtschaftslage im Budget 2013 zu spüren bekommen.» Der Kanton habe zu viele Steuererleichterungen gewährt, statt zu investieren. «Das Ziel der Regierung und des Kantonsrats muss sein, die Bevölkerung zu überzeugen, dass sich Investitionen im Kanton lohnen. Das Agglomerationsprogramm 2011 war ein guter Anfang.» Der Kanton komme weiter jedoch nicht darum herum, seine Strukturen zu hinterfragen.

Auch die Jüngste sprach

Dann kam es zu einem Novum. Nicht nur der neue Präsident sprach, sondern auch das jüngste Ratsmitglied, die 22-jährige Seraina Fürer (Juso, Schaffhausen). «Die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich weiter», sagte sie. Dies dürfe man nicht dulden, genauso wenig wie, dass man bei der Bildung spare oder dass Menschen wegen Armut, Alter oder Behinderungen ausgeschlossen würden. Der Kantonsrat habe in jüngster Zeit mutlose Entscheide gefällt, dies sei ein Rückschritt. «Was ist aus dem einst mutigen Vordenkerkanton geworden?», fragte sie. «Wagen wir mehr Demokratie!», rief sie in den Saal und sprach sich für mehr Mitsprache aus, besonders von Jungen und von Ausländern.

Mit einem Fest im Reckensaal feierte nicht nur Thayngen, sondern der ganze Reiat die Wahl von Richard Bührer zum Kantonsratspräsidenten.

Der Reckensaal war fast bis auf den letzten Platz besetzt, als gestern Abend der Musikverein Thayngen aufspielte und so den Startschuss zur grossen Präsidentenfeier für Richard Bührer gab. Gross war die Zahl der Gratulierenden, die dem Frischgewählten die Ehre erwiesen. Den Auftakt machte Regierungsrätin Ursula Hafner-Wipf, die die besten Wünsche der Regierung und einige Flaschen Staatswein mitbrachte und auch ihrer Kollegin Rosmarie Widmer Gysel gratulierte, die zur Regierungspräsidentin gewählt worden war. Als Nächstes durfte Stefan Zanelli, der durch den Abend führte, die Schulklasse von Egon Bösch ankünden, die unter anderem den «Richi-Bührer-Präsidenten-Song» zum Besten gab («Mir gratuliered und sind stolz/dänn är isch us Reiatholz»). Weitere Reden, Darbietungen und gute Wünsche folgten, so vom Thaynger Gemeindepräsidenten Philippe Brühlmann, von Paul Zuber, dem Präsidenten der SP Thayngen, sowie von den Vertreterinnen und Vertretern der Kantonsratsfraktionen. Für grosse Heiterkeit sorgten die beiden Bayern Ignaz und Pebberl alias Daniel Fischer und Jürg Tanner, die die Politprominenz mit Sprüchen wie «Was ist der Unterschied zwischen Shaqiri und Christian Amsler? – Der Amsler kommt mehr in der Zeitung» aufs Korn nahmen.

Und natürlich trugen zum guten Gelingen des Festes auch das Essen (Bouillon mit hausgemachten Flädli; Schweinshalsbraten an Rosmarinjus, Kartoffelgratin, Bohnen im Speckmantel und glasierte Karotten; Panna Cotta auf Erdbeerpüree), aufgetragen von den Tronkas, sowie der rote Thaynger Kantonsratspräsidentenwein der Firma Stamm bei.

Originalbericht SN

Archiv SN