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Die Schusswaffe im trauten Heim

schaffhauser az, 27.01.2011 von Praxedis Kaspar

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Es scheiden sich die Geister landauf, landab: Bundesrat und bürgerliche Parteien lehnen die Initiative der Linken `Für den Schutz vor Waffengewalt` ab. Aber es gibt auch dissidente Stimmen - in beiden Lagern.

Regierungsrätin, Militärdirektorin, ehemalige Armeeoffizierin und Nein-Komitee-Vertreterin Rosmarie Widmer Gysel: `Ich bin klar gegen die Waffenschutzinitiative. Neue und strengere Gesetze und Verordnungen greifen, die Initiative ist daher nicht notwendig. Ich habe meine Armeepistole behalten, bin lizenziertes Mitglied des Pistolenclubs Hallau und hoffe, irgendwann wieder Zeit für den Schiesssport zu finden.` Regierungsratskollegin und Leiterin des Departements des Innern, Ursula Hafner-Wipf, schreibt: `Ich bin Mitglied des Pro-Komitees, unterstütze also die Volksinitiative. Da die Regierungsmitglieder nicht gleicher Meinung sind, wurde vereinbart, dass wir zwar Mitglied der jeweiligen Komitees sein können, uns aber ansonsten mit öffentlichen Meinungsäus¬serungen zurückhalten.` Die Juristin Christine Thommen ist Grossstadträtin und Mitglied der FDP. Sie teilt mit: `Wie Sie sicher wissen, hat die FDP-Parteiversammlung dieser Tage ein klares Nein zur Volksinitiative beschlossen. Ich bin mit meiner Meinung - Ja zur Volksinitiative - also nicht repräsentativ für die grossmehrheitliche FDP-Meinung. Zur Initiative: Das Vertrauen des Staates in seine Bürgerinnen und Bürger ist zwar gut und wichtig, aber völlig unnötig auf die Probe stellen muss man es nicht. Sicherheit geht vor Tradition.` Kurz und bündig äussert sich Urs Tanner, SP-Grossstadtrat und Mitglied des Ja-Komitees: `Waffen gehören nicht in eine Wohnung; Gelegenheit macht Tote.` ÖBS-Grossstadträtin und Ja-Komiteemitglied Iren Eichenberger sieht es so: `Armeewaffen sind bei Familiendramen und Selbsttötungen im Einsatz. Sie gehören in den Krieg, nicht in den privaten Haushalt.` Daniel Leu hingegen, SP-Mitglied, Präsident von Jagd Schaffhausen und aktiver Jäger in Hemmental, ist Mitglied des Nein-Komitees: `Ich bin gegen die Waffenschutzinitiative, weil sie Erwartungen weckt, die sie nicht erfüllen kann - wie auch SP-Bundesrätin Sommaruga sagt - und weil sie Kosten durch mehr Bürokratie verursacht sowie die Ausbildung von Jungjägern behindert.` Die Anfrage an das Schaffhauser Polizeikommando bringt die nachstehende Antwort des Kommunikationsverantwortlichen Patrick Caprez: `Die Konferenz der kantonalen Polizeikommandanten hält ihre Mitglieder an, sich nicht zur Waffenschutzinitiative zu äussern, da es sich hierbei um ein politisches und bürgerrechtliches Thema handelt, in das sich die Polizei nicht einmischen soll. Der Schaffhauser Polizeikommandant befolgt diesen Beschluss.` Und schliesslich: SVP-Ständerat Hannes Germann, Mitglied des Kopräsidiums im Schaffhauser Komitee gegen die Waffenschutzinitiative, hat die Bitte um Stellungnahme der `az` gar nicht erst beantwortet.

Was Sache ist
Die Waffenschutzinitiative, lanciert und getragen von der politischen Linken und bekämpft von Bundesrat, Bundesparlament, den meisten bürgerlichen Parteien und der vereinigten Waffen-, Schützen- und Jägerlobby, kommt am 13. Februar zur Abstimmung. Die Initiative hat eine politische Diskussion ausgelöst, die auf beiden Seiten mit Leidenschaft geführt wird. Während Meinungsforscher zu Beginn die Befürworter im Vormarsch sahen, prophezeihen sie in ihren jüngsten Wortmeldungen einen Sieg der Gegner, also ein Nein.

Zum Inhalt: Hauptziel der Initiative ist es, die geschätzten gut zwei Millionen Schusswaffen in den Schweizer Haushalten im Sinne des verfassungsmässigen Schutzes vor Waffengewalt massiv zu reduzieren. Das soll realisiert werden durch die Einführung eines Bedarfs- und Fähigkeitsnachweises für Antragsteller, durch die Schaffung eines nationalen Waffenregisters anstelle der bloss kantonalen Listen sowie durch die Vorschrift, dass ausserhalb des Militärdienstes die Ordonnanzwaffen in gesicherten Räumen der Armee aufbewahrt werden müssen. Am Ende der Dienstzeit, so das Abstimmungsbüchlein, dürften die entlassenen Soldaten und Soldatinnen die Waffe nur noch ausnahmsweise erwerben. Solche Ausnahmen wären vor allem für lizenzierte Sportschützinnen und Sportschützen vorgesehen. In Schaffhausen ist sowohl die Lagerung im Zeughaus wie auch die Abgabe bei der Polizei bereits heute möglich.

Bundesrat, Bundesparlament und kantonale Gegner stützen ihre Ablehnung der Initiative auf die Meinung, die aktuellen gesetzlichen Vorschriften schützten bereits ausreichend vor Waffengewalt, und eine Annahme der Initiative biete keine Gewähr für weniger Suizide, Unglücksfälle und Verbrechen mit Schusswaffen. Die Initianten wiederum führen Zahlen des Bundesamtes für Statistik für die Jahre 1995 bis 2008 an, die klar zeigen: Je weniger Ordonnanzwaffen die Armee in Umlauf setzte, desto weniger Schusswaffentote waren in der Schweiz zu beklagen. Suizide und Tötungsdelikte nehmen nachweislich parallel zur Reduktion der Waffen in Haushalten ab.

Situation in Schaffhausen
Nach Auskunft der Schaffhauser Militärverwaltung, die jüngst in den `Schaffhauser Nachrichten` publiziert wurde, wollten im vergangenen Jahr nur rund 10 von 200 verabschiedeten Soldaten ihre Waffe mit nach Hause nehmen, was ausschliesslich gegen Bezahlung und mit Waffenschein möglich ist. Vom Sprecher der Schaffhauser Polizei, Patrick Caprez, ist zu erfahren, dass im Kanton Schaffhausen derzeit 8689 Schusswaffen in Privatbesitz von 3702 Personen sind, was darauf hindeutet, dass es sich neben Armeeangehörigen auch um Jäger und Sportschützen handelt. Caprez weist darauf hin, dass es hierbei nur um die registrierten und damit der Kontrolle unterworfenen Schusswaffen geht; wie hoch die Dunkelziffer nicht angemeldeter Waffen ist, weiss niemand.

Aus der Kriminalstatistik der Schaffhauser Polizei ist zu ersehen, dass es im zuletzt untersuchten Jahr 2009 im Kanton Schaffhausen kein Tötungsdelikt mit Schusswaffe gegeben hat, hingegen eine schwere Körperverletzung. Von den insgesamt zehn Suiziden, die 2009 im Kanton begangen wurden, sind deren vier mit Schusswaffen geschehen. Der Polizeisprecher erinnert daran, dass bei der Schaffhauser Polizei jederzeit Waffen aller Art, also nicht nur Schusswaffen, gegen Verzichtserklärung am Schalter abgegeben werden können - eine Möglichkeit, die inzwischen recht gut genutzt werde. Die Polizei bittet allerdings darum, eine Waffenübergabe nach Möglichkeit anzumelden. Bei aktuellem Bedarf aber ist man jederzeit zur Übernahme bereit.

Quelle