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Der Weg verbindet Menschen miteinander

Schaffhauser Nachrichten, 22.04.2013 von Sabine Bierich

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Am Samstag wurde der «Zürcher Weg» in der Klosterkirche Rheinau feierlich eröffnet. Vor der offiziellen Eröffnung fanden Abt Martin Werlen und Regierungspräsidentin Rosmarie Widmer Gysel kurz Zeit für ein ungezwungenes Gespräch. Bilder Selwyn Hoffmann

100 Gäste sind am Samstag zur Eröffnung des «Zürcher Wegs» von Schaffhausen nach Rheinau gepilgert. In der Klosterkirche wurde der Anschluss an den Jakobsweg feierlich eingeweiht.

Als Angebot zur Entschleunigung der Welt, als Zeichen der religiösen Versöhnung und als Weg der europäischen und der religiösen Begegnung wurde am Samstag der «Zürcher Weg», der von Blumberg über Schaffhausen und Pfäffikon bis nach Rapperswil führt und eine Anbindung an die grossen Pilgerwege nach Santiago de Compostela ist, im Kloster Rheinau gefeiert. Zuvor waren rund 100 Gäste vom Schaffhauser Bahnhof nach Rheinau gepilgert.

Jahrhundertelang habe die reformierte Kirche das Pilgern verhindert, sagte Pfarrer Michel Müller-Zwygart, Präsident des reformierten Kirchenrates Zürich, der als Festredner eingeladen war. Er scherzte, er mache keinen Hehl daraus, dass er sich in der Klosterkirche Rheinau nicht ganz freiwillig neben Abt Werlen vom Kloster Einsiedeln gesetzt habe – ein Ausdruck für die im Kanton tiefsitzende nach der Reformation entstandene Kluft von Katholiken und Reformierten. Der Wirtschaftsfaktor, auf die Formel Pilgern-Gasthof-Geld gebracht, sei den Reformatoren lange ein Dorn im Auge gewesen. Daraufhin zog er die Versöhnung in den Mittelpunkt und führte aus, dass Geist unbestritten Geld brauche. Dass Geld aber immer auch Geist brauche, sei nicht allen klar. Die Kirchen müssten aufeinander zugehen. Nach bald 500 Jahren Reformation sei es an der Zeit, die Gemeinsamkeiten der beiden Religionen in den Vordergrund zu stellen. Zwingli sei schliesslich auch zwei Jahre im Kloster Einsiedeln gewesen. Abt Martin Werlen ging besonders auf die verbindenden Aspekte des Weges ein. Orte, Kantone, Länder und Menschen würden dabei in Beziehung gesetzt. Das Pilgern könne auf eine tausendjährige Tradition zurückblicken. Heute seien zerstrittene Christen gemeinsam unterwegs. Den meisten Festrednern konnte man schon auf dem Weg von Schaffhausen nach Rheinau begegnen. Die Regierungspräsidentin des Kantons Schaffhausen, Rosmarie Widmer Gysel, hatte die Gäste gleich zu Beginn an einigen markanten Punkten Schaffhausens vorbeigeführt. Auch der Regierungsrat des Kantons Zürich, Martin Graf, befand sich unter den Wandernden. «Noch bin ich bis dato nicht gepilgert», sagte er. Joe Weber vom Verein Jakobsweg.ch berichtete von der Website und der Broschüre zum «Zürcher Weg», die er gestaltet habe. Er ist bereits drei Viertel der Strecke nach Santiago de Compostela gelaufen. Nicht aus religiösen Gründen habe er sich auf den Weg gemacht, er sei ein Freidenker, sagte er. Er habe sich dem Verein angeschlossen, weil Europa so einen Weg brauche, ein Gefäss für Begegnungen. Auf dem Weg würden sich Menschen auf Augenhöhe begegnen. Die Route des «Zürcher Wegs» ist im Internet unter www.jakobsweg.ch einzusehen. Auch GPS-Tracks kann man dort herunterladen. Auch die drei Initianten des Zubringerwegs zum Jakobsweg waren ins Gespräche vertieft. Im Jahr 2010, am 25. Juli, dem Tag des St. Jacques, kamen Leo Schmid, der reformierte Pfarrer Hans Peter Werren, beide aus Berg am Irchel, und Werner Berweger aus Gräslikon auf die Idee, einen Anschlussweg an die grossen Pilgerrouten anzugehen. Der Weg sollte ohne Umweg den süddeutschen Raum über den Thurgau mit den Anschlusswegen nach Einsiedeln verbinden. Sie studierten alte Pilgerberichte. Im Visier hatten sie Gasthöfe, die Hinweise auf eine Pilgerroute gaben, wie «Stern», «Kreuz» oder «Mohren», oder die alten Römerstrassen und Handelsrouten. Daraus ergab sich die heutige Strecke.

Nachgefragt

Martin Werlen, Abt des Klosters Einsiedeln, kam bei der Eröffnung des «Zürcher Wegs» im Restaurant Buck in Rheinau zum Mittagessen hinzu. Er sprach das Tischgebet, wie das bei Pilgerreisen üblich ist.

Ist die Motivation, den Jakobsweg zu wandern, in unserer Zeit nicht einfach der Wunsch nach Ruhe, nach menschlichen Begegnungen und das Bedürfnis, sich in den Kontext einer anderen Zeiterfahrung zu begeben? Geschieht das nicht immer weniger aus religiösen Gründen?

Martin Werlen: Der religiöse Mensch ist der suchende. Schon auf dem Weg zu sein, das ist religiös. Die Begegnung mit sich selbst, mit der Schöpfung, mit Gott gehört ebenso dazu. Der Jakobsweg verbindet Menschen miteinander. Nicht nur bei schönem Wetter ist man gemeinsam unterwegs. Tief im Herzen eine Sehnsucht zu verspüren und aufzubrechen, zu ahnen, dass es im Leben mehr gibt als nur die vier Wände, die einen täglich umgeben. Auf diesem Weg wandern verschiedene Altersstufen, ob sie nun skeptisch oder fromm sind. Sie erfahren, dass sie nicht alleine sind und dass andere genauso auf dem Weg sind.

Welche Rolle spielt das Kloster Einsiedeln für die Pilgerwege?

Werlen: Einsiedeln ist ein Knotenpunkt. Hier läuft ein jahrtausendealtes Netzwerk zusammen. Abschied nehmen und Grenzen überschreiten, Kontakte knüpfen. Das hat etwas ganz Modernes. Vor vielen Jahrhunderten ist das auf dem Landweg passiert, zu Fuss. Mit dem Jakobsweg lebt eine alte Tradition wieder auf. Das ist fantastisch, wir sind mit oben und untereinander vernetzt. Der heilige Benedikt sagte: «Mit offenen Augen und aufgeschreckten Ohren durchs Leben gehen».

Interview Sabine Bierich

Originalbericht SN