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«Der Klettgau umfasst unser aller Herz»

Schaffhauser Nachrichten, 07.08.2013 von Saskia Baumgartner

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«Schauen, was es vor der Haustür zu sehen gibt»: Regierungsrätin Rosmarie Widmer Gysel in Tiengen. Bild Saskia Baumgartner

Am 598. Schwyzertag in Tiengen hielt Rosmarie Widmer Gysel Gysel die Festrede. Die SN haben die Regierungsrätin und heimatverbundene Klettgauerin bei ihrem Besuch begleitet.

Der 598. Schwyzertag in Tiengen begann für Rosmarie Widmer Gysel nicht mit einem öffentlichen Auftritt, sondern mit einem sommerlichen Abendrundgang. Martin Albers, Oberbürgermeister der Doppelstadt Waldshut-Tiengen, hatte zu einer kleinen Stadtführung geladen. Es war das erste Aufeinandertreffen der beiden Politiker. «Sie verstönd Mundart, oder?», fragte Widmer Gysel. Albers bejahte: «Solange Sie nicht aus Bern kommen, ist das kein Problem.» Zusammen mit ihrem Ehemann Georg und dem Schaffhauser Tourismuschef Beat Hedinger schlenderte Widmer Gysel unter Albers Führung durch die Gassen der rund 10 000 Einwohner grossen Stadt. Interessiert lauschte die entspannt wirkende Schaffhauser Delegation Albers geschichtlichen Anekdoten, beispielsweise über das Rathaus Tiengen, wo angeblich die Badische Revolution ausgerufen worden war.

Hier und da wurden Vergleiche zwischen Tiengen und Schaffhausen gezogen. Widmer Gysel war erstaunt zu hören, dass gut 25 Prozent der Tiengener als Grenzgänger in der benachbarten Schweiz arbeiten. «Das ist viel», so Widmer Gysel. Die Regierungsrätin zeigte sich beim Stadtrundgang vor allem von den kleinen Gassen begeistert, die unter den mittelalterlichen Häusern hindurchführen. Die Regierungsrätin gab zu, dass dies ihr erster Besuch in Tiengen sei: «Manchmal geht man weiss Gott wohin, anstatt mal zu schauen, was es vor der Haustür zu sehen gibt.» Ganz fremd sei ihr die Region aber dennoch nicht. Erst kürzlich habe sie mit dem Ehemann einen Ausflug auf die Küssaburg gemacht. Ausserdem habe man in ihrem Heimatort Hallau immer gute Beziehungen zum deutschen Teil des Klettgaus gepflegt.

Grenzüberschreitende Heimat

Ganz selbstverständlich begrüsste Widmer Gysel wenige Minuten später im Tiengener Schloss dann auch die Ehrengäste des offiziellen Empfangs in Hallauer Dialekt: «Wir sind alle Klettgauer, ich gehe davon aus, Sie verstehen mich!» Der spontane Applaus der Gäste gab Widmer Gysel recht. Nach einem Eintrag in das goldene Buch der Stadt und etwas Small Talk mit alten und neuen Bekannten ging es um 20 Uhr zum voll besetzten Kirchplatz. Widmer Gysel verfolgte hier zusammen mit rund 600 Tiengenern gespannt das Programm des Heimatabends, bei dem sich jahrhundertealte Traditionen wie das Fahnenschwingen und historischer Tanz mit modernen Darbietungen – Jazzmusik vom Schaffhauser Bernie-Ruch-Trio und eine Tanzeinlage der örtlichen Ballettgruppe – vermischten. Als sie selbst zur Festrede auf die Bühne gebeten wurde, sprach Widmer Gysel von den historischen Beziehungen zwischen Schaffhausen und Tiengen, von den wirtschaftlichen und den infrastrukturellen Gemeinsamkeiten. Und sie sprach vom grenzüberschreitenden Nenner: dem Klettgau. Wie sehr ihr dieser am Herzen liegt, wurde deutlich, als die Regierungsrätin den ehemaligen Schaffhauser Staatsschreiber Martin Wanner zitierte. Mit ihrer entschlossenen Stimme wurden die Worte Wanners zu ihren eigenen, als Widmer Gysel sagte: «Sie, wie ich, sind Söhne und Töchter des Klettgaus, der unser Herz umfängt, dass es niemals altert. Wer dort geboren ist, dem ist unauflöslicher Zauber in die Brust gesenkt, und der bringt die Liebe und das Heimweh nicht weg.» Nach dem Heimatabend folgte ein Besuch auf dem Marktplatz, auf dem sich nun fast die ganze Stadt versammelt hatte und zusammen feierte. Danach war für die fröhlich wirkende Regierungsrätin der offizielle Teil ihres Besuchs beendet. Aber sie kam schon am nächsten Tag wieder: zum grossen Festumzug der 33 deutschen und Schaffhauser Gruppen. Selbstverständlich in ihrer Hallauer Tracht.

«Der Schwyzertag erinnert an einen Tag im 15. Jahrhundert, als man eidgenössische Söldner mit der Hilfe der Mutter Maria in die Flucht schlagen konnte. Deshalb ist er in Tiengen ein Hochfest wie Weihnachten oder Ostern», erklärt Ralf Siebold, Zunftmeister der Bürger- und Narrenzunft 1503 Tiengen. Kirchliche und historische Elemente stünden bei dem viertägi-gen Heimatfest daher auch im Vordergrund. Siebold selbst ist wie seine Zunftkollegen während des Heimatfests auch ausschliesslich in mittelalterlicher Kleidung unterwegs. Dennoch gehe man mit der Zeit. Seit elf Jahren werde das Fest in seiner heutigen Form, mit Heimatabend, Festumzug, aber auch mit grosser Festwirtschaft gefeiert. Ausserdem feiere man nun auch immer zusammen mit Gastländern und -kantonen. «Zunächst haben wir bei den Einladungen an die angrenzenden Kantone gedacht.» Vor zwei Jahren sei darum der Aargau zu Gast gewesen, jetzt also Schaffhausen. «Das Engagement der Schaffhauser ist sehr gross», freut sich Siebold, «Beim grossen Festumzug kommt rund ein Viertel der Gruppen aus Schaffhausen.» Verantwortlich für diese Gruppen ist Dirk Grevsmühl. Der Hallauer kann Siebolds Kompliment nur zurückgeben. Die Organisation sei u lässig gewesen. «Die Deutschen stellen uns alles zur Verfügung und wollen, dass es uns gut geht.» Am Sonntag gab es einen Umzug. «Vor und während des Umzugs verteilen wir natürlich Wein aus Schaffhausen.»

Orginalbericht SN