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Das Volk schafft die Pauschalsteuer ab

Schaffhauser Nachrichten, 26.09.2011 von Zeno Geisseler

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Schaffhausen will keine Steuerprivilegien für reiche Ausländer mehr. Die Stimmbürger haben eine Initiative der Linken angenommen.

Als zweiter Kanton der Schweiz hat Schaffhausen die Abschaffung der Pauschalbesteuerung beschlossen. Das Schaffhauservolk hat einer entsprechenden Volksinitiative der Alternativen Liste, der SP und der Gewerkschaften zugestimmt. Auch ein Gegenvorschlag der Regierung, der eine Verschärfung der Kriterien vorgesehen hätte, wurde angenommen. In der Stichfrage entschied sich die Mehrheit aber für die Initiative und somit für die vollständige Abschaffung der Pauschalsteuer. Schaffhausen folgt dem Beispiel des Kantons Zürich, welcher die Pauschalbesteuerung im Jahr 2009 abschaffte. Thurgau und Glarus hingegen hatten diese Vorhaben noch verworfen.

Für die Abschaffung der Pauschalsteuer sprachen sich 55,1 Prozent der Schaffhauser Stimmenden aus, für den Gegenvorschlag 53,7 Prozent. In der Stichfrage entschieden sich 53,9 Prozent an der Urne für die Initiative (detaillierte Resultate auf der nächsten Seite). Bis kurz vor Schluss war gestern bei der Auszählung der Stimmen unklar, in welche Richtung es gehen würde. Zwar zeichnete sich eine Annahme sowohl der Initiative als auch des Gegenvorschlags ab, doch nachdem Thayngen als zweitletzte Gemeinde des Kantons ihre Resultate ins Regierungsgebäude nach Schaffhausen gemeldet hatte, lag der Gegenvorschlag mit einem hauchdünnen Vorsprung von nur gerade zwei Stimmen vorne. Wäre es bei einer solch kleinen Differenz geblieben, hätten die Stimmen laut Gesetz nachgezählt werden müssen. Doch die Stadt Schaffhausen, welche als letzte Gemeinde ihre Zahlen lieferte, machte alles klar. Am Schluss erzielte die Initiative bei der Stichfrage rund 1800 Stimmen mehr als der Gegenvorschlag.

Auch Land stimmte zu

Die Volksinitiative wurde in 14 Gemeinden angenommen und in 13 abgelehnt. Der Gegenvorschlag wurde in nur gerade zwei Gemeinden abgelehnt, Bargen und Hemishofen. Kein einziger Ort lehnte sowohl die Initiative wie auch den Gegenvorschlag ab - keine Gemeinde wollte also mit der Pauschalsteuer so fortfahren wie bisher. Am deutlichsten verworfen wurde die Initiative in Stetten (63,3 Prozent Nein-Stimmen), am deutlichsten angenommen in der Stadt Schaffhausen (59,8 Prozent Ja-Stimmen). Der Gegenvorschlag wurde in Guntmadingen am deutlichsten angenommen (mit 67,4 Prozent der Stimmen) und in Bargen mit 55,4 Prozent am deutlichsten verworfen.

Nur wenige Personen betroffen

Im Kanton Zürich hatte die Abschaffung der Pauschalbesteuerung zur Folge, dass ein Teil der vermögenden Ausländer wegzog. Er konnte diese Verluste aber durch den Zuzug von anderen, regulär besteuerten Vermögenden zum Teil ausgleichen. Ob es im Kanton Schaffhausen nun wie von den Gegnern der Initative befürchtet zu einem Auszug der Pauschalbesteuerten kommt, wird sich zeigen. Von der Gesetzesänderung betroffen ist jedenfalls nur eine kleine Gruppe. Per Ende 2010 wurden nur gerade fünf Personen im Kanton pauschal besteuert. Sie lieferten Kantons- und Gemeindesteuern im Umfang von total rund 360 000 Franken ab.

Reaktionen Regierung und Initianten

«Wir bedauern, dass der Gegenvorschlag nicht obenaus schwang», sagte Finanzdirektorin Rosmarie Widmer Gysel kurz nach Bekanntgabe der Resultate, «ich gratuliere den Initianten aber zu ihrem Erfolg. Die Initiative kam offenbar zum richtigen Zeitpunkt», sagte sie weiter. Es gebe ein grosses Unbehagen wegen gewisser Privilegien, und zwar bis weit ins bürgerliche Lager: «Es gibt kein eindeutiges Links-Rechts-Schema, auch die Landgemeinden haben zugestimmt», stellte Widmer Gysel fest. Es werde nun spannend sein, zu sehen, wie es auf nationaler Ebene weitergehe. Denn bei den Bundessteuern ist die Pauschalbesteuerung nach wie vor möglich, es gibt aber auch hier Bestrebungen zur Abschaffung.

«Der Kanton Schaffhausen geht für einmal voraus», sagte Florian Keller von der Alternativen Liste. «Wir haben ein Symbol gestürzt, das für die Privilegien der Reichen steht.» Die Bevölkerung sei nicht mehr kulant genug für Privilegien, sagte Keller weiter. «Die Leute wollen, dass die Finanzierung der öffentlichen Hand gerecht erfolgt.» Keinen Einfluss auf das Resultat hatte seiner Ansicht nach die Situation der UBS mit dem Skandal um verspekulierte Milliarden. «Das sind zwei verschiedene Themen.» Keller sieht im Abstimmungserfolg aber ein Vorzeichen für die nationalen Wahlen in vier Wochen: «Die Linke wird zulegen. In der gegenwärtig schwierigen wirtschaftlichen Situation haben wir die bessere Ausgangslage.»

Ein Schuss vor den Bug kurz vor den Wahlen

Zeno Geisseler

Der Kanton Schaffhausen schafft die Pauschalsteuer ab. Das haben die Stimmberechtigten so entschieden. Aus finanzieller Sicht ist dieser Schritt zu verkraften: Zu klein ist die Gruppe der Pauschalbesteuerten, zu klein sind ihre Steuerbeiträge, als dass dieser Entscheid für den Kanton grosse finanzielle Folgen hätte. Schaffhausen sendet mit der Abschaffung aber ein gefährliches Signal in die Welt hinaus: Ein Kanton, der Privilegien nicht nur schafft, sondern eben auch wieder abschafft, ist ein unsicherer Standort. Was kommt als Nächstes? Eine Beschneidung der Privilegien für neu angesiedelte Unternehmen? Diese Fragen wird jeder stellen, der eine Firma im Kanton eröffnen will. Es ist zu hoffen, dass die Wirtschaftsförderung darauf eine gute Antwort zurechtzimmern wird.

Das Resultat wirft aber auch seine Schatten voraus auf die nationalen Wahlen in wenigen Wochen. Die bürgerlichen Stammlande haben den bürgerlichen Parteien gestern die Gefolgschaft verweigert. Selbst stramm bürgerliche Gemeinden stimmen plötzlich solide links. Das muss den bürgerlichen Parteien zu denken und den linken Parteien Grund zur Hoffnung geben. Natürlich darf man eine kantonale Abstimmung nicht einfach extrapolieren. Wer als Bürgerlicher findet, die Pauschalsteuer für vermögende Ausländer sei ungerecht, wird jedenfalls noch lange nicht zum Überläufer und wählt plötzlich nur noch linke Leute nach Bern. Vielleicht hat der gestrige Wahlsonntag mit seinen Themen, Pauschalsteuer und S-Bahn, auch in erster Linie linke Stimmbürgerinnen und Stimmbürger mobilisiert. Unbestritten aber war der gestrige Abstimmungssonntag ein Warnschuss für die bürgerlichen Parteien: Ihr Erfolg in vier Wochen ist alles andere als sicher. Ein mehrheitlich bürgerlicher Kanton, der ein linkes Anliegen wie die Abschaffung der Pauschalsteuer gutheisst, ist auch für Überraschungen an der Wahlurne gut.

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