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Das jähe Aus war nicht abzuwenden

Schaffhauser Nachrichten, 06.08.2017 von HANS CHRISTOPH STEINEMANN UND PASCAL OESCH

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Als frischgebackene Meisterinnen und Cupsiegerinnen liessen sich die Neunkircher Fussballerinnen vom Publikum im Lipo-Park nach dem 3:0 gegen Lugano zu Recht hochleben. Dass es auch der endgültige Abschied des FC Neunkirch vom Frauen-Spitzenfussball war,

Die Frauen des FC Neunkirch haben am letzten Samstag wohl zum ersten und zum letzten Mal einen Meistertitel bejubelt. Denn der Rückzug auf die nächste Saison war aus der entstandenen Finanznot heraus nicht mehr zu verhindern.

frauenfussballDas Pressecommuniqué des FC Neunkirch brachte am Mittwochmorgen das auf den Punkt, was viele geahnt und einige im Team und im Club schon seit letztem Donnerstag gewusst hatten. Es geht definitiv nicht weiter mit dem Frauen-NLA-Team, einerseits sei der Spielbetrieb finanziell nicht mehr stemmbar und andererseits seien die administrativen Aufgaben nur mit professionellen Strukturen machbar. «Der Vorstand des FC Neunkirch dankt dem Team, den Trainern und dem ganzen Staff für eine unglaubliche Saison, den Gönnern und den Sponsoren für die grosszügige Unterstützung, der Gemeinde Neunkirch, den unzähligen Helfern sowie den tollen Fans für den einzigartigen Support in den vergangenen Jahren. Es war eine schöne Zeit, welche die Mannschaft mit dem Doublegewinn abschliessen konnte. Weitere Informationen wird es unsererseits dazu nicht geben», schreibt Präsident Reto Baumer, dass das Kapitel damit für den FC Neunkirch abgeschlossen ist. Der Frauenfussball geht dorthin zurück, wo er einst herkam, in die regionale 2. Liga, wo die zweite Mannschaft nach wie vor aktiv ist.

Gemäss Franziska Schild, Ressortleiterin Frauenfussball im Schweizerischen Fussballverband (SFV), ist bereits definitiv entschieden, dass der in der Auf-/Abstiegsrunde drittklassierte FC Aarau den Platz des FC Neunkirch in der neu auf acht Teams reduzierten Frauen-NLA übernimmt. Im Fall des Champions-League-Platzes ist es so, dass in einem solchen Fall der Zweitplatzierte, die Frauen des FC Zürich, anstelle von Meister Neunkirch bei der Uefa gemeldet wird. Nach wie vor nimmt nur eine Schweizer Equipe an der Frauen-Champions-League teil.

Für Heinz Rähmi, das Ehrenmitglied im FC Neunkirch, Teammanager der NLA-Frauen und langjähriger SFV-Funktionär, der diese Woche mit den Schweizer U-19-Juniorinnen an einem EM-Qualifikationsturnier in Ostdeutschland weilt, ist das Ende des FCN-NLA-Teams eine ganz bittere Sache. «Auch unsere Klettgauer Regierungsrätin Rosmarie Widmer Gysel, die am Samstag beim Spiel war, hatte da Tränen in den Augen …» Rähmi selbst hat so viel Zeit und Herzblut in die Sache investiert, dass er – wie viele andere im FCN – am liebsten nichts dazu sagen würde. Es sei doch eine so schöne Saison gewesen, und das Team habe einen tollen Zusammenhalt gezeigt. Die Chance auf eine Rettung hat Rähmi jedoch von Anfang an, als das Ausmass der Sache im Frühling bekannt wurde, als nicht sehr gross eingeschätzt. Zu gut kennt der absolute Insider die vielen (auch negativen) Facetten des Fussballgeschäfts.

Dracic blickt auf zwei gute Jahre

Der aktuelle Neunkircher «Meistertrainer» Hasan Dracic äusserte sich gefasst zum Ende seiner Mannschaft: «Das ist ganz schade für die Mannschaft, der ich nur ein Kompliment aussprechen kann. Sie zeigte immer eine tolle Disziplin.» Er habe als Trainer in Neunkirch zwei gute Jahre gehabt. Die Zusammenarbeit mit dem Staff habe stets sehr gut geklappt, betonte Dracic. »Bedauerlich ist das Ende natürlich auch für den Schweizer Frauenfussball. Für den FC Zürich gibt es nächste Saison wohl keine so starke Konkurrenz mehr. Der FCZ hat ein sehr gutes Team, das kreativen Fussball spielt. Ich wünsche ihnen eine schöne Champions League», sagt Dracic abschliessend.

Roli Freis eigene Erfahrungen

Der in der Region wohl bekannteste Fussballlehrer und Trainer, Roli Frei, war vor eineinhalb Jahren ebenfalls kurz als Cheftrainer des FC Neunkirch tätig. Aktuell betreut er, der 1988 den FC Schaffhausen in den Cupfinal geführt hat, das Männer-2.-Liga-Team des FC Diessenhofen mit Erfolg. Aber Roli Frei erinnert sich noch gut an seine Zeit bei den Frauen des FC Neunkirch. «Es ist eine traurige Geschichte, wie es nun zu Ende geht. Ich bedaure das. Damals wollte ich dem Club helfen, weil der Trainer nicht im Besitz der geforderten Trainer-A-Lizenz war.» Frei absolvierte deswegen extra noch einen Trainerrefresherkurs. Im Frühling 2015 entschied sich Roli Frei dann jedoch für die Männer des FC Diessenhofen, denn er wollte wieder mehr Verantwortung übernehmen für ein Fussballteam. In Neunkirch sei das nur beschränkt möglich gewesen. Es war ihm damals aufgefallen, dass der Verantwortliche vieles selber erledigte und kaum Informationen an ihn weitergab. Vor Roli Frei war übrigens Mar- cel Zwahlen Lizenztrainer der FCN-Frauen gewesen, kurz nach dem Saisonstart 2014 trat er jedoch überraschend zurück. Nach Roli Freis Abgang gaben übrigens auch die damaligen Co-Präsidenten Dominik Hauser und Fabio Manfrin ihren Rücktritt bekannt …

«Der Realität ins Auge sehen»

Für Regierungsrat Christian Amsler, im Kanton Schaffhausen für den Sport zuständig, kam die Meldung, dass die Ära der Frauenequipe des FC Neunkirch mit dem Gewinn des Doubles zu Ende geht, nicht aus heiterem Himmel. «Wir sind von der Vereinsführung vorinformiert worden», sagt Amsler, der das Aus sehr bedauert. «Auch ich habe darüber zuerst eine Träne vergossen. Sicher steht auch bei mir die Freude über das sportlich erreichte Double an erster Stelle. Aber gleichzeitig muss man auch der wirtschaftlichen Realität ins Auge sehen.» Der Fall zeige klar auf, dass ohne Geld im Spitzensport nichts möglich sei. Christian Amsler betont, wie sehr er die Arbeit des FC Neunkirch in der Nachwuchsförderung schätze. «Es ist auch mein persönlicher Wunsch, dass es im Klettgau weiterhin viele Juniorenteams und hoffentlich bald wieder eine Frauenequipe mit vielen eigenen Juniorinnen gibt.»

FC Neunkirch Frauen Wie aus dem Sportmärchen ein Albtraum wurde

Dass die Neunkircher Fussballerinnen nach dem NLA-Aufstieg vor vier Jahren dieses Jahr Schweizer Meisterinnen und Cupsiegerinnen wurden, ist sensationell. Die Erfolge sind ein Produkt von harter und kontinuierlicher Arbeit eines ganzen fussballverrückten FCN-Teams und von dessen Umfeld. Einige der Verantwortlichen zogen lange am Karren, investierten viel Herzblut und zogen die Sache durch bis zum Doublegewinn. Vor rund 15 Jahren begann das Projekt Mädchen- und schliesslich Frauenfussball im FC Neunkirch. Und der Aufstieg ging rasant voran. Nach der ersten Saison in der 3. Liga (2007/08) folgte gleich der Aufstieg in die 2. Liga und ein Jahr später in die 1. Liga.

Erinnerungen an Sunday Uchechi

Die Bedingungen wurden immer professioneller. In der zweiten Saisonhälfte im Frühling 2011 tauchte die 17jährige Nigerianerin Sundy Uchechi im Klettgau auf, die den FCN mit 18 Toren fast im Alleingang in die NLB schoss. Noch immer bestand das Team mehrheitlich aus regionalen Spielerinnen. Nach einem Jahr NLB ging es bereits nach ganz oben. Immer mehr Aktive aus der ganzen Welt kamen hinzu.

Über die Finanzierung machte sich kaum jemand Gedanken, der Frauenfussball sei nicht teuer, war zu hören. Und jährlich erfolgte eine weitere Steigerung: Platz 4, Platz 3, Platz 2 und jetzt gar der Meistertitel und der Cupsieg. Unheimlich klingt es. Und unheimlich ist es eben auch in der Realität geworden. Denn das Team kostete eben doch mehr als geglaubt. Dass die Finanzierung aus dem Ruder lief, wurde aber erst im April 2017 bekannt, als die FCN-Verantwortlichen plötzlich Ersatz für einen ausgestiegenen «stillen Sponsor» suchten. Gleichzeitig wurde ein Veruntreuungsfall beim FCN-Hauptsponsor Rimuss bekannt, in den der langjährige Förderer und Sportchef verwickelt ist. Seither läuft eine Strafuntersuchung der Staatsanwaltschaft Schaffhausen. Das für den künftigen NLA-Spielbetrieb notwendige Geld war nicht aufzutreiben. Der Meistertitel und der Cupsieg wurden zwar Tatsache – aber auch der Rückzug. Aus dem einst tollen Sportmärchen ist leider ein Albtraum geworden.(hcs.)