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Bringolf gehörte der P-26 an
Schaffhauser Nachrichten, 13.02.2010 von Erwin Künzi
Walther Bringolf war Mitglied der geheimen Widerstandsorganisation P-26. Das schreibt die Regierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage.
Am 18. Dezember des letzten Jahres veröffentlichten die SN ein Interview mit Susanne Günter. Darin sprach die ehemalige FDP-Kantonsrätin, die 2005 das Parlament präsidierte, über ihre Rolle in der geheimen Widerstandsorganisation P-26 und erwähnte dabei auch die Ehrung der ehemaligen, noch lebenden Schaffhauser Mitglieder der P-26 durch Regierungspräsidentin Rosmarie Widmer Gysel. Dieses Interview veranlasste Kantonsrätin Martina Munz (SP, Hallau) zu einer Kleinen Anfrage an die Regierung, mit der sie Aufschluss über die Natur der P-26, die Identität der Schaffhauser Mitglieder sowie deren Ehrung durch die Regierung verlangte.
Eine Pistole zum Selbstschutz
Gestern hat die Regierung ihre ausführliche Antwort auf diese Kleine Anfrage veröffentlicht. Darin schreibt sie zuerst über die Vorbereitungen, die die Schweizer Armee seit 1940 getroffen habe, um sicherzustellen, dass im Falle einer allfälligen Besetzung der Schweiz der Exil-Bundesrat über Nachrichten aus der Schweiz verfügt hätte. Diese Organisation wurde nach dem Krieg im Kalten Krieg bis in den Januar 1991 weitergeführt. Dabei sei es aber nicht um militärischen Widerstand gegangen: «Die einzelnen Widerstandszellen verfügten denn auch von 1940 bis 1991 über keinerlei Waffen oder gar Sabotagemittel. Sie wurden nur zum Selbstschutz an der Armeepistole ausgebildet, durften diese Waffe aber zu keinem Zeitpunkt nach Hause mitnehmen», schreibt die Regierung.
Seit 1973 öffentlich bekannt
Zur Frage, wie geheim diese Widerstandsorganisation gewesen sei, erklärt die Regierung, die Existenz der Widerstandsvorbereitungen in Friedenszeiten sei spätestens seit der Publikation der Konzeption der Gesamtverteidigung im Jahr 1973 öffentlich bekannt gewesen, Details hätten aber aus verständlichen Gründen geheim bleiben müssen. 1981 habe sich die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats damit befasst und festgestellt, die Anforderungen des Rechtsstaats und der Demokratie an eine solche Organisation seien erfüllt. 1990 untersuchte eine Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK), der auch der Schaffhauser Ständerat Bernhard Seiler angehörte, die Widerstandsstrukturen und anerkannte dabei ihre Verfassungsmässigkeit. Zusammen mit dem Bundesrat hielt die PUK fest, dass die Organisation P-26 «ausserordentlich gut und zielstrebig geführt worden sei». Wegen der veränderten Bedrohungslage wurde die P-26 nicht mehr weitergeführt, ihre freiwilligen Mitglieder blieben aber einer strikten Schweigepflicht unterstellt. Diese wurde erst 2009 nach einem Vorstoss im Ständerat aufgehoben, und der Bundesrat bedankte sich offiziell bei den Mitgliedern der P-26 für die dem Land und dem Volk geleisteten Dienste.
Feier im Klostergut Paradies
Dies ermöglichte es auch, schreibt die Regierung, die Verdienste der noch lebenden Veteraninnen und Veteranen der P-26 zu verdanken. Im Falle der Schaffhauser Mitglieder geschah dies am 9. November 2009 bei einem Anlass der Militärhistorischen Gesellschaft des Kantons Zürich im Klostergut Paradies im Rahmen des Jahresanlasses der früheren Schaffhauser und Zürcher Grenzbrigade 6. Dabei habe Regierungspräsidentin Rosmarie Widmer Gysel, die den verhinderten Militärdirektor Heinz Albicker vertrat, «den anwesenden Angehörigen des Schaffhauser Widerstands mit einer kurzen Ansprache gedankt», so die Regierung, die weiter schreibt: «Der Regierungsrat vertritt - notabene in Übereinstimmung mit dem Bundesrat - die Auffassung, dass es sachlich richtig und an der Zeit ist, sich bei diesen, teilweise betagten Bürgerinnen und Bürgern, die während so langer Zeit zum Schweigen verpflichtet waren, für ihren Einsatz zugunsten unseres Landes zu bedanken.»
Auch Jeanne Hersch war Mitglied
Es sei aber nicht Sache der Regierung, schreibt sie weiter, die Namen dieser Veteranen öffentlich zu machen; das sei vielmehr die persönliche Entscheidung jedes Einzelnen. Im Übrigen seien die Widerstandsvorbereitungen und damit die P-26 politisch breit abgestützt gewesen. «So war der langjährige und verdiente Schaffhauser Stadtpräsident, SP-Präsident und Nationalrat Walther Bringolf ebenso Mitglied der Kaderorganisation für den Widerstand wie die bekannte Genfer Philosophin und Sozialdemokratin Jeanne Herrsch», schreibt die Regierung abschliessend. Nach Ablauf der Schutzfrist der Akten soll 2020 ein Buch über die Rolle der P-26 erscheinen.