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Bessere Chancen durch Frühförderung

Schaffhauser Nachrichten, 22.05.2008 von Erwin Künzi

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Mit der Frühförderung von Kindern hat sich gestern eine Tagung in Schaffhausen beschäftigt. Nach dem Willen der Beteiligten soll es nicht bei dieser Tagung bleiben.

Als kürzlich bekannt wurde, dass in Basel-Stadt schon Dreijährige mit sprachlichen Defiziten Lerngruppen besuchen sollen, machte das gesamtschweizerisch Schlagzeilen und löste heftige Diskussionen aus. Dass die Frühförderung von Kindern auch in Schaffhausen ein Thema ist, bewies gestern der Grossaufmarsch zu einer Tagung im «Kronenhof» unter dem Titel «Bildungschancen für alle! Dank Interventionen im Vorschulbereich». Vorbereitet hatte die Veranstaltung die Organisation «Vernetzung Frühförderung Schaffhausen», in der sich verschiedene interessierte Institutionen, von der Integrationsfachstelle bis zur Kinder- und Jugendbetreuung, sowie Privatpersonen zusammengefunden hatten. Ausgehend von den schlechteren Startbedingungen von Kindern aus bildungsfernen und sozial schwachen Familien sollte geprüft werden, was bereits im Vorschulalter getan werden könnte, «um ihre Bildungschancen zu verbessern und ihr Entwicklungspotential zu stärken», wie es in der Einladung hiess.

Den Anfang machte gestern Regierungsrätin Rosmarie Widmer Gysel, die Vorsteherin des Erziehungsdepartements. In ihrer Analyse identifizierte sie vier Gründe, die zu unterschiedlichem Erfolg in der Schule führen können: die verschiedenen genetischen Veranlagungen, die sozialen Verhältnisse, die gute oder schlechte Förderung innerhalb der Familie sowie die Diskriminierung wegen Rasse, Geschlecht, Religion oder Herkunft. Bei den letzten beiden Punkten könne die Schule ansetzen, so Widmer Gysel. Allerdings könnten die zum Teil grossen Ungleichheiten heute in den beiden Kindergartenjahren nicht beseitigt werden, was Folgen für die Volksschule habe. Nötig sei ein umfassendes Konzept, in dem sowohl die Betreuung der Kinder wie die Bildung berücksichtigt würden. Wichtig sei es auch, die Sprachkompetenz, bei Migrantenkindern auch in der Erstsprache, möglichst früh, schon vor dem Kindergarten, zu stärken. «Der Bedarf an früher Förderung ist aus bildungspolitischer Sicht gegeben», meinte Widmer Gysel. Gleichzeitig gebe es aber auch Fragen: Soll diese Förderung staatlich oder privat sein? Wer soll gefördert werden, und wie soll die Förderung aussehen, da zum Beispiel die Sozialkompetenz geradeso wichtig sei wie die Sprachkompetenz? Wie stark soll bei dieser Förderung in den Bereich der Eltern eingegriffen werden? Ist der politische Wille vorhanden, die Frühförderung finanziell zu unterstützen? Hier meldete Widmer Gysel Zweifel an.
In einem zweiten Referat zeigte Andrea Lanfranchi von der Hochschule für Heilpädagogik in Zürich aus der Sicht des Forschers auf, was es braucht, damit ein Kind in der Schule erfolgreich ist, und wie weit sich Chancengerechtigkeit, also die Förderung der Kinder gemäss ihrem Potential unabhängig von ihrer sozialen Herkunft, herstellen lässt. Er erklärte anhand verschiedener Beispiele, dass mit der Frühförderung zwar diese Gerechtigkeit nicht ganz erreicht, aber wenigstens vergrössert werden könne.
Ein Frühförderungsprojekt, das starken Wert auf Besuche bei den Eltern legt, läuft bereits seit November 2007 in Bern. Darüber informierte Projektleiterin Mona Baumann Oggier, bevor dann zum Abschluss der Tagung an einer Podiumsdiskussion Thesen zur Frühförderung diskutiert wurden (siehe Text auf dieser Seite). Dabei wurde auch die Frage gestellt, wie es, nachdem das Problem erkannt sei, mit der Frühförderung weitergehen solle. Rosmarie Widmer Gysel wie Stadtrat Thomas Feurer plädierten für eine Fortführung der begonnenen Arbeit, da es noch einiges brauche, bis die Öffentlichkeit und damit die Politik sensibilisiert seien. Erst dann sei es möglich, konkrete Vorlagen auch politisch umzusetzen.
E Immer häufiger treten Kinder mit Entwicklungsdefiziten in den Kindergarten ein. Diese umfassen mangelnde Sprachkenntnisse, fehlende motorische und kognitive Fertigkeiten, wenig ausgebildete soziale Kompetenzen. Dabei handelt es sich um Entwicklungsdefizite mit langfristigen Folgen.

Ein Auszug aus den Thesen, die gestern anlässlich der Tagung diskutiert wurden:
. Die heutigen Angebote erreichen bildungsferne und sozial schwache Familien nicht.
. Frühförderung ist sowohl Aufgabe der Familie als auch der Gesellschaft.
. Es braucht eine umfassende Förderung, das heisst umfassende Erfahrungs- und Experimentierfelder für Kinder, damit sich Sach- und Sprachkompetenz entwickeln können.
. Sinnvolle Angebote müssen frühzeitig einsetzen. Für Kinder braucht es bereits vor dem Kindergarten ein vielseitiges und professionelles Angebot an familienergänzender Betreuung.
. Es braucht massgeschneiderte, niederschwellige Angebote sowohl für Eltern wie für Kinder, die auch für sozial benachteiligte Familien finanzierbar sind.
. Es braucht einen kantonalen Ansatz, um diese Aufgaben lösen zu können, das heisst, ein kantonales Frühförderungskonzept ist gefordert.

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