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Führung aus Sicht von Armee, Wirtschaft und Politik

Beilage zur ``Allgemeinen Schweizerischen Militärzeitschrift`` ASMZ, Nr. 6, Juni 2007

26.06.2007 von Rosmarie Widmer Gysel

Eine weitere erfolgreiche Frau zeigt mit ihrem persönlichen Bericht und ihrer Überzeugung, dass letztlich kein wesentlicher Unterscheid zwischen weiblichen und männlichen Offizieren besteht, hingegen ein grosser zwischen militärisch geschulten Führungskraften und solchen, denen die militärische Schulung und Erfahrung abgeht. Die Lehren, die eine Frau aus der militärischen Ausbildung und Tätigkeit für die Führung gewinnt, sind im Wesentlichen gleich wie bei männlichen Beispielen. Sie werden allenfalls etwas anders benannt und mehr aus der eigenen Praxis belegt. Es geht um den eigenverantwortlichen Mitarbeiter, klare und rasche Kommunikation, zielorientiertes Handeln und methodisches, prozessorientiertes Vorgehen. Auch hier wird betont, dass die militärische Tätigkeit als Persönlichkeitsschulung erlebt wird, die Selbstsicherheit, Zivilcourage und den Mut, "vorne hinzustehen", erhöht bzw. die Gelegenheiten dazu überhaupt erst schafft. Als grösste Diskrepanz zum effizienten militärischen Führungsrhythmus wird die langwierige und oft umständliche Entscheidungsfindung in der Politik empfunden. (TD)

Rosmarie Widmer Gysel
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".....aus Sicht der Frau?" - ein sehr subjektiv gefärbter Bericht, in welchem alle Personenbezeichnungen für Männer wie für Frauen sowie auch andere Punkte - jedoch nicht alle - für beide Geschlechter gelten.

Korrektur einer einseitigen Sicht

Wer weiss oder gar selbst erlebt hat, was in der militärischen Führungsausbildung geboten wird, zeifelt nicht an deren Wert auch für zivile Führungsaufgaben. In den zivilen und militärischen Führungsprozessen geht es weitgehend um Ähnliches: Analyse eines Auftrags oder einer Problemstellung - Lagebeurteilung - Entscheidungsfindung oder Entschlussfassung - Umsetzung oder Befehlsgebung. Zudem, das "Vorne Stehen" und Verantwortung übernehmen werden in der militärischen Führung zur Selbstverständlichkeit und prägen sowohl die jungen wie die gereiften Militärangehörigen stets von Neuem. Wer das nicht erkennt oder sogar verkennt, hat sich mit der Thematik nicht oder nicht genügend befasst.
Den Eindruck von Voreingenommenheit erhält man leider auch immer wieder in der Presse. So zum Beispiel in der Ausgabe des «Landboten» vom 20. Januar 2007. Militärische Befehlsausgabe als Widerspruch zu moderner Führung wird hier behauptet. Oder es wird suggeriert, umsichtiger Führungsstil und Einfühlungsvermögen seien ziviler Führung vorbehalten. Beides ist vollkommen falsch. Auch in der zivilen Führung wäre manchmal «Befehlsausgabe» im Sinn von Kommunikation rascher Entscheide willkommen. Und umgekehrt ist der umsichtige Führungsstil und das Einfühlungsvermögen auch in der zivilen Führung leider nicht immer selbstverständlich. Denn meine Erfahrung zeigt, dass es darum geht, für sich selbst die Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten und diese gewinnbringend für die Privatwirtschaft und die Armee anzuwenden. Denn das funktioniert - aber man muss wollen!

Der Weg

Als ich vor 30 Jahren meine militärische Laufbahn begann, war ich mir sicher, meine Dienstzeit als Soldat zu absolvieren. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich gerade meine berufliche Grundausbildung abgeschlossen und meine Zukunft lag völlig offen vor mir. Ich hatte weder Pläne noch den Wunsch, eine steile Berufs- noch Militärkarriere zu absolvieren. Und wenn ich heute auf diese Zeit zurückblicke, bin ich überzeugt, dass das Leisten von Militärdienst und die aufgrund von "Vorschlägen" folgende Offiziersausbildung für mich von grosser Bedeutung waren.
Ich wuchs in frühen Jahren in Führungsaufgaben hinein - ohne zu diesem Zeitpunkt als Product Manager im Migros-Genossenschafts-Bund eine eigentliche Führungsverantwortung zu haben. Meine militärische und berufliche Weiterbildung - und damit die sogenannte "Karriere" - verliefen während den nächsten 20 Jahren kontinuierlich und parallel. Und ziemlich zielgerichtet. Dabei war immer auch Glück oder "zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort" mit im Spiel.
Sich auf ein Ziel ausrichten und dieses mit einer gewissen Hartnäckigkeit zu verfolgen - nicht aufzugeben - das lernte ich in der Offiziersschule. Persönliche Wünsche oder Bedürfnisse mussten oft in den Hintergrund treten. Ansonsten wäre eine ständige berufsbegleitende Weiterbildung, die militärische Weiterbildung und das jeweilige Abverdienen - nebst den normalen Truppendiensten - gar nicht möglich gewesen. Nicht jeder Arbeitgeber hatte Verständnis für eine militärdienstleistende Frau - ziemlich oft sind Ferien für Militärdienst verwendet worden und die Wochenenden waren der "zivilen" Aus- und Weiterbildung gewidmet. Während den darauffolgenden 13 Jahren in einem Industriekonzern in verschiedenen Führungsfunktionen und oft im Ausland tätig, wurde meine militärische Karriere seitens des Arbeitgebers zwar nicht gerade gefördert - aber doch geduldet und die mir zustehenden Ferientage waren tatsächlich der Entspannung gewidmet.

Militärische Tätigkeit als Eintritt zum Studium

Als ich mich 1998 für einen Platz am Nachdiplomstudium zum Executive MBA in Business Engineering an der HSG bewarb - ohne jedoch die eigentlich geforderte Universitätsausbildung zu haben - war meine militärische Führungserfahrung nebst einer Eintrittsprüfung ausschlaggebend, in den Studiengang aufgenommen zu werden. Damals war ich im Stab Ter Br 10 Chef Controlling. Eine Funktion, die offiziell gar nicht existierte, die der damalige Kdt Ter Br 10 und heutige Kdt Heer, KKdt Luc Fellay einführte.
Die enge Zusammenarbeit in dieser Aufgabe zwischen dem Kdt, dem Chef Ausbildung, den Kdt der unterstellten Verbänden und meinen Controllern (Of z Vf Kdt im Bereich Ausbildung) waren für alle Beteiligten eine wertvolle Erfahrung und wir konnten während diesen Jahren ein transparentes und einfaches System etablieren, dessen Nutzen von allen Beteiligten erkannt wurde und auch entsprechende Ergebnisse zur Folge hatten. Ich konnte dabei meine Erfahrungen aus der beruflichen Tätigkeit und die entsprechenden Kenntnisse einbringen und andererseits für mich persönlich den Beweis erbringen, dass Controlling auch in der Armee funktioniert, wenn alle Beteiligten die selbe Sprache sprechen, das System transparent ist, Ergebnisse gemeldet und daraus die entsprechenden Konsequenzen gezogen werden, resp. die notwendigen Korrekturen und die Steuerung dann auch tatsächlich erfolgen. Eine der Voraussetzungen war aber - und das für mich eine ganz wichtige Erfahrung - dass der oberste Chef 100% hinter diesem Auftrag stand, dass er sich für die Ergebnisse interessierte und dass die empfohlenen (Steuerungs-)Massnahmen in die anschliessenden Anordnungen, resp. Befehle, aufgenommen wurden.

Führungsgrundsätze

Irgendwann während diesen Jahren und aufgrund der gemachten Erfahrungen in Wirtschaft, Verwaltung und Armee, bin ich zur Überzeugung gelangt, dass sich die Führungsgrundsätze auf die folgenden Punkte reduzieren lassen: .

Achte den Andern! Eine erfolgreiche Führungspersönlichkeit kann sich nur entfalten, wenn sie die Persönlichkeit des untergebenen Mitarbeitenden respektiert. Dieses Prinzip gilt im Bereich der Politik, Wirtschaft und Armee. In der modernen, demokratischen Gesellschaft haben wir auf selbständig denkende Menschen zu setzen damit sie die ihnen übertragenen Aufgaben mit Entschiedenheit und Überzeugung ausführen. Das gilt insbesondere für die Unternehmen und die Verwaltung. Kein Arbeitnehmer wird sich auf die Dauer mangelnden Respekt gefallen lassen. Entweder er verweigert sich, dann ist das Ergebnis eine höhere Fehlerquote, oder er kündigt.

KISS - Keep it short and simple! Kommunikation, aber auch Entscheidungen und ganz besonders Anweisungen sollten einfach, kurz und knapp gehalten werden. Dann sind sie eindeutig und unmissverständlich. Viele Probleme entstehen meist erst dann, wenn zu sehr und zu kompliziert kommuniziert wird. Dann beginnt man zu rätseln und zu interpretieren, was automatisch Verzögerungen oder Komplikationen zur Folge hat. Meist sind auch viele der heute sehr kompliziert dargestellten politischen Probleme eigentlich einfach. Kompliziert werden sie erst, wenn die Sache nicht beim Namen genannt wird.

Kommuniziere offen und transparent! Ein erfolgreicher Chef weiss, dass er seine Mitarbeitenden nur für Ziele motivieren kann, wenn sie wissen, um was es geht. Es muss aber ebenso klar sein, dass interne Angelegenheiten auch intern bleiben und nicht nach aussen getragen werden sollen. Dazu gehört auch, dass Mitarbeitende von internen Veränderungen zuerst durch ihre Vorgesetzen hören sollten und diese nicht über die Presse erfahren. Jede Führungspersönlichkeit ist selbst dafür verantwortlich, dass sie alle für Entscheidungen notwendigen Informationen erhält. Andererseits hat sie für die umfassende und gezielte Weitergabe an vorgesetzte und untergeordnete Ebenen zu sorgen. Dazu gehört auch der Mut, schnell über Abweichungen zu informieren.

Führe mit Zielen und vereinbare diese! Mit diesem Prinzip bekommt der Unterstellte ein Maximum an Handlungsfreiheit zur Erfüllung des Auftrages im Rahmen der Absicht des Vorgesetzten sowie unter Beachtung der Strategie. Aufträge sollten nur dann Auflagen beinhalten, wenn diese zur Koordination notwendig sind. Aber: Zielorientierte Führung verlangt nebst einheitlichem Denken (Ziele werden vereinbart!) auch klare Vorstellungen über die Möglichkeiten der unterstellten Mitarbeitenden und natürlich Initiative und verantwortungsbewusstes Handeln auf jeder Stufe. Von einem erteilten Auftrag darf nur abgewichen werden, wenn sich gleichzeitig die Lage verändert hat, der Chef nicht erreichbar ist und ein Abwarten nicht verantwortet werden kann.

Denke und handle immer prozessorientiert! Das Geschäftsleben - dazu gehört auch die Verwaltung und die Politik - hat mit militärischen Vorgängen etwas gemeinsam: Es handelt sich immer um komplexe, arbeitsteilige Prozesse. Einem erfolgreichen Vorgesetzten wird es gelingen, seine Mitarbeitenden auf die arbeitsteiligen Zwänge und den daraus resultierenden Prozess ihrer Arbeit zu fokussieren. Nur auf diesem Wege werden Diskussionen und mögliche Konflikte versachlicht und ein vernetztes Denken möglich.

Persönlicher Nutzen aus der militärischen Methodik

Meine parallelen Tätigkeiten in Wirtschaft, während vielen Jahren auch häufig im Ausland, in der Armee, in ehrenamtlichen Aufgaben, so auch in der Politik, galt es immer unter einen Hut zu bringen, wenn daneben auch die Familie nicht zu kurz kommen wollte. Auch da profitierte ich von meiner Offiziersausbildung und den verschiedenen Führungs- und Stabslehrgängen. Ich lernte, zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Prioritäten zu setzen.
Um mit einer Aufgabe - ganz egal welcher Art sie ist - Erfolg zu haben, muss ich den Auftrag und das Ziel kennen. Dann kann ich die einzelnen Massnahmen ordnen und sie in eine zeitliche Abfolge bringen und vermeide damit unnötige Umwege. Auf meinem Weg zum Ziel darf ich das sich laufend verändernde Umfeld - oder die Umwelt - nicht aus den Augen verlieren und das heisst aufmerksam und konzentriert zu sein. Das erlaubt mir auch, meinen Weg zum Ziel wenn notwendig anpassen und neue Erkenntnisse zu gewinnen. Dabei gilt es immer auch, Widerstände und Schwierigkeiten, seien diese materieller oder personeller Art, zu erkennen und sich damit frühzeitig gegen die "feindlichen" Mittel wappnen zu können. Und wenn ich die mir zur Verfügung stehenden eigenen Mittel kenne, die Stärken und Schwächen meiner Mitarbeitenden, die finanziellen und zeitlichen Ressourcen richtig einsetze, bin ich imstande, auch grosse Aufgaben zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen.
Wer diese Grundsätze verinnerlicht hat und ihnen nachlebt, gewinnt an Selbstsicherheit - selbstverständlich, ohne dass diese überheblich wirken soll. Selbstsicherheit, gepaart mit einer gewissen Zivilcourage, sind für mich ganz wichtige Lebensgrundlagen. Einen grossen Teil davon verdanke ich meinen Erfahrungen in Armee. Für die grosse Portion Optimismus, die mir "von Haus aus" mit auf den Weg gegeben wurde, bin ich sehr dankbar und sie erleichtert mir vieles.

Umsetzung in meiner aktuellen Führungsaufgabe

Meine heutige Tätigkeit als Regierungsrätin ist sehr spannend und macht mir Freude. Die Aufgaben bestehen einerseits darin, Mitglied eines Kollegiums zu sein, gemeinsam Entscheide zu treffen und Verantwortung für das Gesamte zu tragen, andererseits in der Führung des Departments - eines eigentlichen Betriebes. Im Bildungs- oder Erziehungsdepartement - so nennen wir es in Schaffhausen - bestehen sehr viele Gestaltungsmöglichkeiten und Freiräume. Dies im Gegensatz zu anderen Bereichen, in denen eher der Vollzug Vorrang hat. Die Bildungshoheit liegt nach wie vor bei den Kantonen und kleinere Kantone haben den grossen Vorteil, dass vielfach die Wege zur Umsetzung kürzer und unkomplizierter sind als andernorts.
Meine persönlichen Führungsgrundsätze haben nach wie vor Gültigkeit, sie sind aktuell und äusserst brauchbar. Eine ganz neue Erfahrung ist die Zusammenarbeit mit Parlament und Verwaltung. Da ist oft Geduld gefordert und hin und wieder denke ich mit leichter Wehmut an die "alte Zeit" zurück: Der Auftrag vom Kdt war klar, ich hatte fünf Tage Zeit ein Konzept mit Varianten zu erarbeiten, präsentierte und stellte Antrag, der Kdt entschied und ich hatte weitere drei Tage Zeit, die Umsetzung einzuleiten. Und dann lief es - kleine Korrekturen konnten unkompliziert und laufend angebracht werden. Und die ersten Ergebnisse lagen spätestens zwölf Monaten später vor. Eine Vielzahl ähnlicher Beispiele aus der Wirtschaft könnten hier angereiht werden.
Heute, d.h. im politischen Alltag, ziehen sich Entscheidungen oftmals länger dahin. Gewisse Mittel stehen mir auch gar nicht zur Verfügung. Und trotzdem ist die Handlungsfreiheit gross und ich habe das Gefühl, in den letzten zwei Jahren viel erreicht und einige wichtige Schritte mit unserer Bildungsstrategie und in der Bildungsverwaltung erreicht zu haben. Natürlich ist das einerseits nur dank motivierten unterstellten Mitarbeitenden und dank dem von unserer Richtung überzeugten Parlament gelungen. Und einiges davon ist - nebst Glück - auch auf die in der Armee gemachten Erfahrungen zurückzuführen, davon bin ich überzeugt. Am allermeisten vermisse ich in meiner heutigen Arbeit, dass fast niemand mehr weiss, was ein Konzept mit Varianten und Antrag ist und was Handlungsspielraum für den Vorgesetzten bedeutet! Aber meine diesbezüglichen "Erziehungsversuche" - der Ausdruck sei aufgrund unserer Departementsbezeichnung gestattet - zeigen erste Erfolge und beginnen Früchte zu tragen.

Mann und Frau

Und wo liegt nun der Unterschied zwischen Mann und Frau? Meine persönlichen Erfahrungen in den letzten 25 Jahren haben mir gezeigt, dass es bei Führung weder eine Rolle spielt, in welchem der Bereiche - ob Armee, Politik oder Wirtschaft - sie ansteht, noch ob sie durch einen Mann oder eine Frau wahrgenommen wird. Heute bin ich sehr froh, dass ich mich im Alter von zwanzig Jahren entschieden habe, Soldat zu werden und ich bin ebenso froh, dass ich in einer militärischen Weiterausbildung und Beförderung eine Chance erkannte und diese ergriff. Im letzten Januar wurde ich altershalber aus der Wehrpflicht entlassen - ein klein bisschen Wehmut war an diesem Tag vorhanden. Aber ein Offizier bleibt ein Offizier - auch wenn er ausser Dienst ist! Und mit grösster Wahrscheinlichkeit trifft dies sowohl auf Männer wie auf Frauen zu.