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Selbstbewusst eigenwillig seit 950 Jahren

Schaffhauser Nachrichten, 25.08.2014 von er.

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Ihre Heimatgemeinde liess Regierungsrätin Rosmarie Widmer Gysel (mit Ehemann Georg) am Jubiläum natürlich nicht im Stich. In Hallau, sagt sie, sei die Bedeutung des Gemeinsinns eines Dorfes über lange Zeit besonders gut zu erleben und zu erfahren.

Hallau wurde erstmals im Jahr 1064 urkundlich erwähnt – gestern Sonntag feierte das «Herz des Blauburgunderlandes» das 950 Jahre alte Ereignis – mit traditionellem Selbstbewusstsein, aber zurückhaltend.

Sie hätten auch anders gekonnt. Schliesslich sind die 950 Jahre seit der ersten urkundlichen Erwähnung von Hallau kein Pappenstiel, schliesslich ist das Haupterzeugnis, der Wein, national und international bekannt und ein sprudelndes Derivat desselben richtiggehend glamourös, und zu alldem hat Hallau auch noch einen unverwechselbaren Ruf zu verlieren: Mindestens gelten sie als selbstbewussteigenständig und obrigkeitskritisch, in der etwas liebloseren Variante auch als eigenwillig und aufmüpfig. Schaffhausen wurde zu Zeiten der Vögte auch schon in den Senkel gestellt, und Bern ist kein Heiligtum, weshalb noch immer ein Spruch in Ehren gehalten wird, der zwar etwas an juristischer Aktualität verloren hat, aber gleichwohl die Hallauer Gesinnung wunderbar wiedergibt: Hallauer Recht, kolportiert man in Hallau, bricht Bundesrecht.

Aber am Sonntag gibt sich Hallau – vergleichsweise – bescheiden und zurückhaltend. Man hätte ja, mit diesem ehrwürdigen Alter, ein grosses Spektakel zelebrieren können. 14 Tage nach jenem des Schaffhauser Kantonalschwingfestes beliess man es beim «Gedenktag», wiewohl mit einem beachtlichen Aufmarsch einheimischen Schaffens: Die Pfarrer Matthias Gafner und Hans Zünd zelebrierten im Festzelt einen eindrücklichen Gottesdienst), Motto: «Lebenswertes Hallau», die Musikgesellschaft Hallau und Lisa Stoll mit dem Alphorn begleiteten einen Apéro riche, wieder Lisa Stoll, der Frauenchor, der Männerchor und das Alphornquartett von Hallau (Cécile Wehrli, Lucie Brand, Hannes Debrunner und Daniel Müller) lockerten zwischen den Festreden (s. Beitrag auf dieser Seite) die Sinne. Nur «Western Store», nach dem offiziellen Festakt in Aktion, erwies sich in Stil und Ausdruck nicht unbedingt als urhallauerisch – aber immerhin spielt hier mit Ferdi Wehrli auch ein Hallauer mit. Sogar die von Regierungspräsident Christian Amsler mitgebrachten Geschenke entstanden im Herzen des Blauburgunderlandes. Nicht Wein natürlich, nein, sondern Kunst der Hallauer Künstler Herbert Hiss und Marc Roy.

Pfus aus dem Notstromaggregat

Der Himmel und die zahlreichen Besucher hatten offensichtlich ihre Freude daran. Zwar drohte und dräute permanent am Horizont eine schwarze Wolkenwand (sollte sie gar die ferne düstere Obrigkeit symbolisieren?), aber der Festplatz blieb ebenso hartnäckig im Sonnenglanz. Nicht einmal das Elektrizitätswerk des Kantons Schaffhausen, das für das in Revision begriffene eigene Werk Wunderklingen den Strom lieferte, zwang die Hallauer gestern in die Knie: Ein Stromausfall im Klettgau vermochte die Feier nur geringfügig zu verzögern. Dank Programmumstellungen und dem Einsatz eines Notstromaggregats gab es nur eine kurze Unterbrechung. Hallaus Gemeindepräsident Alfred Neukomm hatte indes nicht nur die Eigenständigkeit betont, sondern für Gegenwart und Zukunft auch «Toleranz und Gemeinsinn» angemahnt: An seinem Jubiläum hat Hallau dies eindrücklich demonstriert. Mit Bescheidenheit und auch ein wenig Grandezza einer grossen Vergangenheit.

Bei einem Gedenktag wird natürlich zurückgeblickt, zumal, wie Hallaus Gemeindepräsident Alfred Neukomm meinte, auf eine Erfolgsgeschichte zurückgeblickt werden könne. Er meinte damit nicht nur die ökonomische oder die önologische, die Hallau notabene zu einer wohlhabenden und ehedem zur zweitgrössten Gemeinde des Kantons gemacht hat (mit 2200 Einwohnern im Jahr 1872). Im Blick hatte er auch andere Errungenschaften, wie etwa die erste Volksschule des Kantons 1508 oder das erste Armenhaus (1833).

Bei der Obrigkeit gefürchtet

Geschichtliche Ereignisse waren auch in der Rede von Ständeratspräsident Hannes Germann Eck- und Ausgangspunkte, stets in Verbindung allerdings zur Gegenwart, zumal kaum ein anderes Dorf als Hallau auf eine bewegtere Geschichte zurückblicken könne. Die Hallauer seien stets «selbstbewusst und eigenständig» gewesen und «bei der Obrigkeit mehr gefürchtet als geliebt». Gewisse Eigenheiten haben sich bis heute gehalten, etwa die Sitzordnung an der Gemeindeversammlung, die auf die historischen «Tischgenossenschaften» zurückgeht. Germann betonte die Wichtigkeit des föderalistischen Systems. Fazit: «Wir brauchen starke Gemeinden, wie Hallau eine ist.» Ein Gedanke, der dann auch von Ira Sattler, der Bürgermeisterin von Jestetten, aufgegriffen wurde, die auch die gute grenzüberschreitende Zusammenarbeit lobte. Regierungspräsident Christian Amsler würdigte die «erfreuliche Lebendigkeit» der Gemeinde, die ihren dörflichen Charme und die wunderbare Landschaft bewahrt habe. Hier werde grosser Wert auf den Zusammenhalt gelegt. «Einmal Hallauer, immer Hallauer», meinte Amsler. Schaffhausens Stadtpräsident Thomas Feurer betonte die Einheit des urbanen und des ländlichen Raumes. Stadt und Land, betonte er, seien eine Schicksalsgemeinschaft und nur «zusammen ein Ganzes». Franz Ebnöther, der Neunkircher Gemeindepräsident, ging dann besonders auf die gute Zusammenarbeit zwischen den Klettgauer Gemeinden ein.