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Fünf Sparposten kommen vors Volk

Beratung im Kantonsrat

Schaffhauser Nachrichten, 01.12.2016 von Marc Liebenberg

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Der Schaffhauser Kantonsrat hat in zweiter Lesung über das Entlastungsprogramm für den Staatshaushalt beraten. Bei fünf Massnahmen hat das Volk das letzte Wort.

Im Kanton Schaffhausen sollen die Staatsbeiträge an die Krankenkassenprämien sinken. Mit 35 zu 20 Stimmen hat der Kantonsrat gestern an seiner ersten Sitzung im neuen Jahr die von der Regierung geplante Reduktion genehmigt. Dieses Vorhaben verpasste allerdings bei der Schlussabstimmung im Rat eine Vierfünftelmehrheit deutlich. Somit hat das Volk das letzte Wort. Um eine Volksabstimmung zu vermeiden, müssen mindestens vier Fünftel der anwesenden Parlamentsmitglieder einer Gesetzesänderung ­zustimmen.

Den Urnengang erzwungen hat die Ratslinke, weil sie mit der Reduktion der Prämienverbilligung nicht einverstanden ist. Hintergrund ist eine vom Volk angenommene Initiative der ­Alternativen Liste aus dem Jahr 2012. «Regierungsrat und Parlament haben die Initiative nie richtig umgesetzt und wollen jetzt wieder dem Volkswillen zuwiderhandeln», sagte Susi Stühlinger (AL, Schaffhausen).

Weniger Beiträge an Spitalaufenthalt

Nach gleichem Muster endete gestern die Beratung von vier weiteren Vorlagen zur Sanierung der Kantons­finanzen. Auch sie verpassten in der Schlussabstimmung das nötige Vierfünftelmehr und gelangen deshalb vor das Volk (siehe Kasten unten). Neben der Prämienverbilligung wird der Souverän demnach auch über die Steuererhöhung für Verheiratete (Ehegattensplitting), die Einführung kostenpflichtiger Freifächer an der Kantonsschule, eine Steuererhöhung auf Kapitalabfindungen und Sparmassnahmen im ­Altersbetreuungs- und Pflegebereich entscheiden.

Stark umstritten war die vorgesehene Reduzierung der Beitragspflicht des Kantons an den Spitalaufenthalt auf Pflegestationen auf 14 Tage. Eine Ratsminderheit wollte einen Kom- promiss und die Beitragspflicht bei 30 Tagen begrenzen, erlitt damit aber Schiffbruch.

Steuerfussabtausch chancenlos

Weitere Sparmassnahmen der ­Regierung scheiterten allerdings im Rat. So wird keine zusätzliche Abgabe auf den Handel mit Alkohol erhoben. Abgelehnt wurde auch ein Steuerfussabtausch zwischen dem Kanton und den Gemeinden. Die Idee dahinter war, dass, wenn der Kanton seine Steuern erhöht – was in der ersten Lesung des Entlastungsprogramms im vergangenen November passierte –, im Gegenzug die Gemeinden ihre Steuern senken sollten.

Eine Reihe von Sparmassnahmen hat der Kantonsrat gestern aber bereits beschlossen, unter anderem die Beschränkung des Pendlerabzugs auf 6000 Franken, den Verzicht der Kantonsbeiträge an die Gemeindepräsidentenentschädigungen und die Reduktion der Abgeltungen an den Regionalverkehr.

Ein Termin, wann der Urnengang zu den fünf Sparvorlagen stattfinden soll, stand gestern noch nicht fest.

Entlastungsprogramm 2014: Über diese Fragen wird an der Urne entschieden

Der Kantonsrat kann ein Gesetz nur ändern, wenn mindestens vier Fünftel der anwesenden Ratsmitglieder der Änderung zustimmen. Diese Hürde ­haben in der gestrigen Debatte zum Entlastungsprogramm (EP) 2014 fünf Massnahmen nicht erreicht. Über diese wird nun das Volk entscheiden. Dazu kommt eine schon im letzten Jahr eingereichte Initiative, welche sich gegen Sparmassnahmen an der Volksschule richtet. Nachfolgend ein Überblick über die sechs Vorlagen, die an der Urne bestehen müssen.

· PrämienverbilligungGeringverdiener erhalten Beiträge an ihre Krankenkassenprämie vom Kanton und von den Gemeinden. Die Regierung hat nun vorgeschlagen, diese Beiträge zu senken. So soll der Kanton ab 2017 2,1 bis 2,3 Millionen Franken im Jahr sparen, die Gemeinden sollen sogar um 3,8 bis 4,2 Millionen Franken entlastet werden.

Als die Regierung diese Massnahme präsentierte, stiess sie im Parlament auf viel Unverständnis, denn erst im Jahr 2012 hatte das Schaffhauservolk die Initiative «Für bezahlbare Krankenkassenprämien» angenommen. Damals hiess es, dass rund ein Drittel der Kantonsbevölkerung von der Prämienverbilligung abhängig sei.

Dass das Volk nochmals über die Prämienverbilligung abstimmen würde, stand schon vor der gestrigen Ratsdebatte fest. Denn hätte die entsprechende Gesetzesänderung die Vierfünftelhürde im Rat genommen, hätte die Linke gegen die Senkung das Referendum ergriffen. Die Prämienverbilligung ist einer der grössten Brocken des Entlastungsprogramms, sie macht rund 5 Prozent des strukturellen Defizits im Umfang von 40 Millionen Franken aus, das der Kanton mit EP 2014 beseitigen will.

· Altersbetreuung und PflegeIm Bereich des Krankenversicherungsgesetzes (KVG) sind Kürzungen bei den Kantonsbeiträgen an Pflegekosten umstritten: In den Spitälern Schaffhausen will die Regierung die Beiträge an nicht anderweitig gedeckte Kosten für die stationäre Akut- und Übergangspflege auf 14 Aufenthaltstage begrenzen, was den KVG-Regeln entspricht – es handelt sich dabei um einen von den Krankenversicherern und den Kantonen gesondert ausgehandelten Tarif.

Eine Erhöhung dieser Bezugsdauer auf 30 Tage lehnte der Kantonsrat gestern knapp ab. Sie hätte nebst höheren Kosten auch einen unverhältnismässigen administrativen Aufwand zur Folge, hatte die Regierung argumentiert.

· Freifächer an der KantiKantons­schüler müssen heute für die Freifächer nichts bezahlen. Künftig soll aber nur noch das erste Freifach kostenlos sein, mit wenigen Ausnahmen soll jedes weitere Freifach 100 Franken pro Jahr kosten. Das Freifach «Instrument» soll neu sogar in jedem Fall 500 Franken kosten, auch wenn es als erstes Freifach belegt wird. Die Regierung will mit diesen Gebühren nicht die tatsächlichen Kosten decken (diese sind deutlich höher), sondern hofft, dass durch die Einführung einer Gebühr die Nachfrage (und damit der Aufwand) sinkt, beim Freifach «Instrument» etwa um 25 Prozent. Die Regierung geht davon aus, dass der Kanton so ab 2018 knapp 300 000 Franken jährlich einspart.

Im Rat war diese Massnahme umstritten. Seraina Fürer (Juso, Schaffhausen) kritisierte, dass sich künftig nur noch Schüler aus finanzkräftigem Elternhaus Freifächer leisten könnten. Unterstützt wurde sie von Thomas Hurter (SVP, Schaffhausen): Schaffhausen werde so zum einzigen Kanton, in dem man für eine Lektion in einer Landessprache bezahlen müsse. Mit 30 Ja zu 25 Nein nahm der Rat die Gesetzesänderung an. Er verfehlte aber die Vierfünftelhürde deutlich, weshalb nun das Volk über die Beiträge an Freifächer entscheiden wird.

· KapitalabfindungenBeiträge an die Altersvorsorge in der 2. Säule und der Säule 3a können vom Einkommen abgezogen werden. Wird dieses Kapital dann bezogen, muss es zu einem reduzierten Satz besteuert werden. Die ­Regierung hat nun vorgeschlagen, dass dieser Satz leicht angehoben wird. Dies bringt dem Kanton jährliche Mehreinnahmen von gut 900 000 Franken und den Gemeinden von knapp 800 000 Franken. Der Kantonsrat stimmte dieser Massnahme zu, allerdings nicht mit vier Fünftel der Stimmen, also entscheidet nun das Volk.

· EhegattensplittingVerheiratete bezahlen unter Umständen mehr Steuern als zwei Einzelpersonen mit gleich ­hohem Einkommen. Mit dem sogenannten Ehegattensplitting soll diese Heiratsstrafe gemildert werden. Die Regierung hat nun vorgeschlagen, den Splittingsatz von 1,9 auf 1,8 zu senken, was dem Kanton rund 2,5 Millionen und den Gemeinden rund 2,2 Millionen Franken an Mehreinnahmen gebracht hätte. Die Kommission schlug einen Kompromiss mit 1,85 vor. Der Rat stimmte diesem Kompromiss zwar zu, aber er verpasste auch hier das nötige Vierfünftelmehr. Ein Urnengang ist die Folge.

· LektionenabbauEbenfalls äussern können wird sich das Volk zum Sparvorschlag, an der Volksschule Lektionen abzubauen. Dazu hat das «Bündnis Zukunft Schaffhausen» bereits im September eine Volksinitiative eingereicht, welche die Streichung der Lektionen verhindern will, indem sie eine minimale Anzahl von Pflichtlektionen im Gesetz verankern will.

Rosmarie Widmer Gysel

 

 

Sätze zur Situation

Rosmarie Widmer Gysel

«Sie müssen heute Entscheidungen fällen, die wehtun.»

Die Regierungsrätin eröffnete das Traktandum Sparmassnahmen mit ernsten Worten.

Iren Eichenberger (ÖBS, Schaffhausen)

«Es wäre falsch, zu denken, der Zahn sei damit schmerzlos gezogen worden.»

Zu einer Sparmassnahme im Alters- betreuungs- und Pflegebereich.

Ernst Landolt

«Walter Hotz hört mich eben gerne sprechen.»

SVP-Kantonsrat Hotz hatte Regierungsrat Landolt dazu aufgefordert, zu mehreren komplexen Themen Stellung zu beziehen, etwa, wie es mit der Unternehmenssteuerreform III läuft. Landolt beschränkte sich darauf, zu sagen, dass diese Themen eigentlich nichts mit der gerade debattierten Besteuerung von Kapitalabfindungen zu tun hätten.

Rosmarie Widmer Gysel

«Unseren Steuerzahler kümmert es nicht, wem er jeweils wie viel bezahlt. Aber es kümmert ihn, wenn er ins- gesamt mehr bezahlen muss.»

Die Finanzdirektorin brachte das Denken der Steuerzahler auf den Punkt.

Markus Müller (SVP, Löhningen)

«Die Weinsteuer wurde zur Schnapssteuer und damit zur Schnapsidee.»

Müller hielt nichts von der Idee, eine Steuer auf den Alkoholhandel zu erheben.

Richard Bührer (SP, Thayngen)

«Dieser Text wird als Spitzenreiter für Beispiele missratener Gesetzesvorlagen in die Lehrbücher eingehen.»

Bührer konnte mit der Vorlage zum Steuerfussabtausch zwischen Kanton und Gemeinden wenig anfangen.

 

Originalbericht SN